Full text: Urkunden der Obersten Heeresleitung über ihre Tätigkeit 1916/18

Die Canossa-Fahrt Kaiser Karls nach Spaa 393 
  
  
Kühlmann in Berlin auch vom Frieden, aber er sagte: „Was Elsaß= 
Lothringen anbelangt, nielr- 
Wien konnte noch von Berlin getrennt werden, daher genügte es, 
mit Wien in Verhandlungen zu treten und Berlin zu verwerfen. Statt 
dessen hielt Herr Ribot es am 12. Oktober für besser, Wien und Berlin in 
demselben Boot zu behalten. Er behauptete, daß das österreichische An- 
gebot Italien nichts zugebilligt hätte und, wie wir heute sehen, nicht 
exakt war. 
Caporitto kam am 24. Oktober dazwischen (Angriff des deutsch-öster- 
reichischen Heeres gegen das italienische Heer. Der Verfasser.), und am 
6. Dezember erklärte Graf Czernin, daß zukünftig die österreichisch-unga- 
rische Monarchie für Straßburg in demselben Maße kämpfen würde wie 
das Deutsche Reich für Triest.“ 
Graf Wedel schreibt in den „Hamburger Nachrichten“: 
„Im Spätherbst und Winter — eine Winterkampagne sollte nach dem Bericht 
vom 12. April vollständig ausgeschlossen sein — eroberten unsere Bundesgenossen mit 
deutscher Hilfe in glänzendem Vorstoß Venetien. In Wien machte die deprimierte 
Stimmung einer zuversichtlichen Platz. Man sprach nicht mehr von Abtretungen und 
hatte trotz aller Friedenssehnsucht andere Ambitionen. 
Als Herr Michaelis im Sommer 1917 seinen Antrittsbesuch in Wien machte, hat 
Czernin den Vorschlag: Abtretung Elsaß-Lothringens an Frankreich gegen Kompen= 
sation durch Überlassung Polen-Galiziens meines Wissens zum letzten Male wiederholt. 
Allein das polnische Geschenk war von zweifelhaftem Wert, Elsaß-Lothringen hätten 
wir verloren, es wäre ein Frieden der Niederlage gewesen. Herr Michaelis sprach 
diesen Gedanken offen aus, erklärte aber, den Vorschlag im Auge behalten zu wollen, 
noch seien wir aber nicht gezwungen, um solchen Preis den Frieden erkaufen zu müssen. 
Heute wird man vielleicht sagen, wir hätten besser getan, darauf einzugehen. Ebensogut 
könnte man sagen, wir hätten am besten getan, in den kritischen Julitagen 1914 Elsaß- 
Lothringen abzutreten, um damit den ganzen Krieg zu vermeiden. Es gibt gewisse 
Dinge, die ein Staat nicht wagen kann. Er kann nicht seine Niederlage bekennen, 
wenn seine Heere an allen Fronten siegreich in Feindesland stehen und die innere 
Situation trotz mancher Entbehrungen intakt ist. Das wäre ein unbegreifliches Sich- 
selbst-Aufgeben, und die Folgen eines solchen Schrittes wären nicht abzusehen. Ein 
Staat kann die Niederlage erst dann bekennen und daraus die Schlüsse ziehen, wenn 
das Volk die Niederlage sieht oder wenigstens die kommende Niederlage fühlt."“ 
5. 
Im April 1918 wurden die Briefe Kaiser Karls an seinen Schwager, 
den Prinzen Sixtus von Parma, in Paris veröffentlicht. Die Vorgänge, 
die hierzu Veranlassung gaben, und die nachfolgenden Ereignisse werden 
vom General v. Cramon in seinen Erinnerungen „Unser Österreich- 
Ungarischer Bundesgenosse im Weltkriege“, Verlag Ernst Siegfried 
Mittler und Sohn, eingehend geschildert. Die Briefe erregten in der 
deutschen Offentlichkeit großes Aufsehen, auch in Wien und namentlich in 
der k. u. k. Armee machte sich eine starke Verstimmung gegen Kaiser Karl
	        
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