394 XVII. Der Sonderfriedensversuch des Hauses Parma-Bourbon
bemerkbar. Graf Czernin reichte seinen Abschied ein. Ich nannte ihn
in „Meinen Kriegserinnerungen“ bundestreu. Die Veröffentlichungen des
Generals v. Cramon, des Prinzen Sixtus und die Stellungnahme
Kaiser Karls lassen dies indes stark in Zweifel ziehen. Kaiser Karl
gibt an, daß Graf Czernin voll unterrichtet war. Nach der „Voss.
Zeitung"“ vom 26. 2. 1920 steht in einem Briefe des Grafen Czernin
an die Kaiserin Zita vom 17. Februar 1917: „Bei genauer Überlegung
der Argumente Ew. Majestät in meiner heutigen Audienz würde ich den
größten Wert darauf legen, wenn Prinz Sixtus selbst zu Ew. Ma-
jestät käme. Wenn Ew. Mojestät selbst mit ihm sprechen könnte, würde
unsere Sache bedeutend weiter kommen.“ Ich überlasse der Geschichte die
Urteilssprechung über Graf Czernin, der so unermeßbares Unglück über
die Doppelmonarchie und Deutschland gebracht hat.
Kaiser Karl kam im Mai 1918 nach Spaa, um sich für die Briefe zu
entschuldigen, so meinten wir wenigstens in der O. H. L. Die Fahrt erhielt
den Namen „Canossa-Fahrt“. Tatsächlich wurde die Fahrt zu einem Er-
folge der Doppelmonarchie. Der Generalfeldmarschall und ich waren über
die Unklarheit der dort mit Osterreich-Ungarn über Polen getroffenen Ver-
einbarungen wenig erbaut. Wir meinten, unter dem Eindruck der Ver-
öffentlichung der Kaiserbriefe wären klare Festsetzungen zu erreichen ge-
wesen.
Jetzt sehe ich die Sache anders an. Ich spreche die Vermutung aus,
daß die deutsche Regierung über den Friedensversuch Österreichs in den
Grundzügen unterrichtet war, sie hatte also keine Möglichkeit, von der
Doppelmonarchie „Buße“ zu verlangen.
Nachtrag: Während des Drucks erschien beim „Drei-Masken“.=
Verlag, München, die Schrift „Czernin und die Sixtus-Affäre“ von
August Demblin. Nach ihr hat Graf Czernin tatsächlich nichts von dem
Brief Kaiser Karls vom 24. März gewußt. Das Verschulden des Grafen
Czernin Deutschland gegenüber liegt daher nicht in seinem Verhalten in
dieser Sonderfrage, sondern in seiner Gesamtpolitik. Er wußte, daß
Deutschland nie auf einen „Verständigungsfrieden“ rechnen konnte:
trotzdem propagiert er ihn in verhängnisvoller Weise. Er sagt: „Ich habe
die feste Uberzeugung gewonnen, daß die Entente und vor allem Eng-
land — wenigstens vom Sommer 1917 ab — den unbeugsamen Entschluß
gehabt hat, Deutschland zu zerschmettern."
Die Schuld Kaiser Karls wächst durch die obengenannte Schrift ins
Unermeßliche. Kein Wort wäre zu hart, diese Schuld zu brandmarken.