Full text: Urkunden der Obersten Heeresleitung über ihre Tätigkeit 1916/18

Reichsk. v. Bethmann Hollweg über Friedensmöglichkeiten im Frühsommer 1917 421 
  
sommer 1917. Als Bestätigung meiner Auffassung ist mir neben allem 
anderen auch die Rede erschienen, die Lloyd George am 29. Juni in 
Glasgow gehalten hat. Trotz ihrer kriegerischen Allüren erblickte ich in 
ihr die Aufforderung, durch genauere Angabe unserer Kriegsziele den 
Boden für Verhandlungen vorzubereiten. 
In der slizzierten Gesamtsituation sah ich nicht nur die Möglichkeit, 
zu Verhandlungen zu kommen, sondern auch den Zwang, diese Möglichkeit 
entschlossen auszunutzen. Unsere Friedensbedingungen mußten sich in 
Grenzen halten, deren Annahme vernünftigerweise von der Entente er- 
wartet werden durfte. Klarer Verzicht in der belgischen Frage war selbst- 
verständlich unerläßliche Vorbedingung. Ebenso zweifellos war mir, daß 
absolute Intransigenz bezüglich der französischen Teile Elsaß-Lothringens 
jede Verhandlungsmöglichkeit von vornherein ausschließen würde. Wie 
ich mich schon ein Jahr früher vergewissert hatte, war der Kaiser grund- 
sätzlich bereit, diesen Weg zu betreten, wenn er zum Frieden zu führen 
versprach. 
Die Konsequenzen aus meiner Einschätzung der Lage habe ich bei 
einer Unterredung gezogen, die ich am 26. Juni mit dem päpstlichen Nun- 
tius Monsignore Pacelli hatte"). Zugleich glaubte ich in der Tatsache, daß 
der Vatikan diese Mission des Nuntius für zweckmäßig hielt, ein weiteres 
Anzeichen dafür sehen zu dürfen, daß sich Verhandlungsmöglichkeiten auf- 
taten. Im einzelnen die Zusammenhänge aufzudecken, ist bei unserer 
jetzigen Kenntnis der Dinge noch unmöglich. Der äußere Hergang war 
folgender: 
Mit dem Auftrage, S. M. dem Kaiser im Großen Hauptgquartier einen 
Brief des Papstes zu überbringen, suchte mich Monsignore Pacelli am 
26. Juni in Berlin auf. Unter persönlichen Wünschen für den Kaiser und 
sein Haus erinnerte der Papst in dem Briefe daran, wie er unablässig die 
kriegführenden Völker beschworen habe, die brudermörderischen Waffen 
niederzulegen, und versicherte den Kaiser, daß alle seine Anstrengungen 
darauf gerichtet blieben, die Tage dieses ungeheuren Unheils zu schließen. 
Anknüpfend an den Inhalt dieses Briefes, den mich der Nuntius in 
Abschrift lesen ließ, unterstrich ich die durch unser Friedensangebot vom 
12. Dezember vor aller Welt bekundete Friedensbereitschaft Deutschlands, 
die sich jedoch an dem starren Kriegswillen der Entente gebrochen habe. 
*) Die O. H. L. kannte diesen Schritt des Reichskanzlers ebensowenig, wie seine 
Stellungnahme zu den Friedensversuchen des Hauses Parma--Bourbon (U#b- 
schnitt XVII). Näheres über den Friedensschritt des Papstes f. auch Nr. 9 der Flug- 
schriften des „Tag“": Die päpstliche Friedensvermittlung. Von Martin Spahn. Verlag 
August Scherl G. m. b. H., Berlin. 
Der O. H. L. erschien der Friedensvorschlag des Papstes vom 1. August als eine 
Folge der Friedensresolutiom vom 19. Juli 1917.
	        
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