Reichsk. v. Bethmann Hollweg über Friedensmöglichkeiten im Frühsommer 1917 423
Nuntius im Auftrage des Papstes wegen der belgischen Arbeiterdepor—
tationen erhob — ein Thema, das er auch schon in Berlin behandelt hatte
—, sagte der Kaiser zu, sein möglichstes zu tun, und begrüßte darauf, ohne
Details zu berühren, in längerem und eingehendem Gespräch sehr nach-
drucksvoll und warm jede Tätigkeit des Papstes, die uns dem Frieden
näher bringen könne. Seine Mojestät führte dabei aus, wie nach seiner
Überzeugung für die katholische Kirche und den Papst ganz besonders jetzt
die Zeit zum Handeln gekommen sei. Vermöge ihrer internationalen
Organisation sei die Kirche die berufenste Instanz, in einem Kriege, in
den so viele Nationen verwickelt seien, den Friedensgedanken zu propa-
gieren, denn sie verfüge technisch über die besten Mittel hierfür. Die andere
große internationale Organisation, die Sozialdemokratie, habe die Be-
deutung einer solchen Propaganda richtig erkannt und habe als erste den
Mut gehabt, sich mit ihrer Organisation in den Dienst des Friedens zu
stellen. Das werde ein dauerndes Verdienst der Sozialdemokratie bleiben,
und wenn man nicht wolle und es für verhängnisvoll ansähe, daß ihr
allein dieses Verdienst zukomme, so müsse die katholische Kirche die Ge-
legenheit ergreifen, die ihr durch die Verhältnisse geboten werde. Im In-
teresse der katholischen Kirche läge es — das müsse er auch als protestan-
tischer Fürst anerkennen — daß der Friede oder vielmehr die Möglichkeit,
ernsthaft über den Frieden zu reden, nicht durch die Sozialdemokratie,
sondern durch den Papst herbeigeführt werde.
Dies war der Verlauf, den die Sendung des Nuntius genommen hat.
Wenige Tage darauf wurde ich zum Rücktritt genötigt. Auf die weitere
Entwicklung der Dinge habe ich deshalb keinen Einfluß mehr gehabt.
2.
Der Friedensvorschlag des Papstes vom 1. August,
überreicht in Berlin im August 1917.
„An die Häupter der kriegführenden Völker! Seit dem Beginn unseres Ponti--
fikats haben wir inmitten der Schrecknisse, welche der fürchterliche Krieg in Europa
entfaltet hat, vorab an diesen drei Zielen festgehalten: in vollkommener Un-
parteilichkeit allen Kriegführenden gegenüber zu verharren, wie es dem ge-
meinsamen Vater geziemt, der alle seine Kinder in gleicher Liebe umfängt, uns ferner
beständig darum zu bemühen, allen soviel Gutes wie möglich zu erweisen, allen ohne
Ansehen der Person, ohne Unterschied der Nationen und der Bekenntnisse, dem all-
gemeinen Gebot der Liebe gemäß, wie auch mit Rücksicht auf das erhabene geistliche
Amt, das uns von Christus übertragen worden ist; endlich, wie es gleichfalls unsere
Friedenssendung erfordert, nichts, soviel an uns liegt, zu versäumen, was beitragen
könnte, das Ende dieses Unheils zu beschleunigen, indem wir versuchten, den Völkern
und deren Häuptern maßvollere Entschlüsse zu empfehlen und abgeklärte Erwägungen,
die einen gerechten und dauernden Frieden anzubahnen vermöchten.
Nicht alles, was wir zur Erreichung dieses hohen Zieles taten, wurde der Öffentlich-