Full text: Urkunden der Obersten Heeresleitung über ihre Tätigkeit 1916/18

438 XIX Der Friedensvorschlag des Papstes und der „englische Friedensfühler“ 
  
  
Regierung Auffassungen anklingen, die den eben geschilderten entsprechen. Und doch 
sind nach uns zugegangenen Berichten manchmal auch in den Außerungen leitender 
englischer Staatsmänner objektivere Auffassungen zutage getreten, die von uns an- 
genommen werden könnten und dem Urteil entsprechen dürften, das die Geschichte 
dereinst über die Entstehungsursache dieses gewaltigen Kampfes als Wahrheit fest- 
stellen wird. 
Nur ein solcher Geist der ruhigen Beurteilung und der Versöhnlichkeit kann eine 
für einen erfolgreichen Gedankenaustausch günstige Atmosphäre schaffen. Es würde 
mit dem berechtigten Stolze des deutschen Volkes vollkommen unverträglich sein, auf 
dem Boden anderer Anschauungen oder Gefühle sich mit seinen heutigen Gegnern zu 
einer Diskussion über die Möglichkeit und die Bedingungen eines Friedens zu 
begegnen. 
Ich habe mir erlaubt, diesen Gesichtspunkt so ausführlich hervorzuheben, nicht zu 
dem Zweck, alte Kontroversen, die jetzt mehr als drei Jahre lang die Völker entflammt 
hatten, wieder zu beleben und das Friedenswerk zu erschweren, sondern gerade in 
dem Bestreben, durch genaue Umschreibung jener seelischen Voraussetzungen — auch 
bei unseren Gegnern —, ohne welche alle noch so wohlgemeinten Versuche ergebnislos 
bleiben müßten, dem Friedenswerke den Weg zu ebnen. 
Wenn sich unsere heutigen Gegner darauf berufen, daß sie als Antwort auf die 
Note des Präsidenten Wilson ihre Kriegsziele mitgeteilt hätten, so dürfte es nicht 
überflüssig sein, schon jetzt darauf hinzuweisen, daß die damals bekanntgegebenen 
Kriegsziele als Grundlage eines Meinungsaustausches nicht in Erwägung gezogen 
werden können, da sie einen Ausgangspunkt zur Voraussetzung haben, der dank der 
Standhaftigkeit des deutschen Volkes niemals eintreten wird: nämlich eine völlige 
Niederwerfung Deutschlands und seiner Verbündeten. Wollte Deutschland Kriegsziele 
veröffentlichen oder seinen heutigen Gegnern mitteilen lassen, die von der umgekehrten 
Voraussetzung, d. h. von einer völligen Niederwerfung seiner heutigen Gegner, aus- 
gingen, so würde unseres Erachtens die Sache des Friedens hierdurch nicht gefördert, 
sondern geschädigt; denn die Abweichungen der gegenseitigen Forderungen wären so 
groß, daß auch der beste Wille verzweifeln müßte, eine Einigung für möglich zu 
halten. Sollte es im gegenwärtigen Augenblicke zu Gesprächen über die Möglichkeit 
des Friedens kommen, so könnten sie nur auf einer neuen Grundlage geführt werden 
— auf der Grundlage nämlich, daß zur Zeit keine von beiden Parteien besiegt sei und 
keine der anderen moralisch oder politisch etwas zumute, was von einem stolzen Volke, 
selbst wenn es besiegt wäre, nicht ertragen werden könnte. 
Sind wir mithin im heutigen Stadium der Dinge noch nicht in der Lage, dem 
Wunsche Eurer Exzellenz zu entsprechen und eine bestimmte Erklärung über die Ab- 
sichten der kaiserlichen Regierung im Hinblick auf Belgien und auf die von uns ge- 
wünschten Garantien zu geben, so liegt der Grund hierfür keineswegs darin, 
daß die kaiserliche Regierung grundsätzlich der Abgabe einer solchen Erklärung ab- 
geneigt wäre oder ihre entscheidende Wichtigkeit für die Frage des Friedens unter- 
schätzte oder glaubte, ihre Absichten und die ihr unumgänglich nötig scheinenden Garan- 
tien könnten ein unübersteigliches Hindernis für die Sache des Friedens bilden, 
sondern lediglich darin, daß ihr gewisse Vorbedingungen, die eine unbedingte Voraus- 
setzung für die Abgabe einer derartigen Erklärung bilden, noch nicht genügend geklärt 
zu sein scheinen. 
Hierüber Klarheit zu gewinnen, wird das Bestreben der kaiserlichen Regierung 
sein, und sie hofft — falls die Umstände ihr Vorhaben begünstigen —, in nicht allzu 
ferner Zeit in der Lage zu sein, Euere Exzellenz über die Absichten und nötigen For- 
derungen der kaiserlichen Regierung, insbesondere in bezug auf Belgien, genauer 
unterrichten zu können. 
Ich darf schon jetzt der uns beseelenden Hoffnung Ausdruck geben, daß das große 
Unternehmen Seiner Heiligkeit des Papstes, den Völkern nach so vielen Schrecknissen
	        
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