Full text: Urkunden der Obersten Heeresleitung über ihre Tätigkeit 1916/18

454 XXI. Verschiedenes aus der ersten Jahreshälfte 1918 
  
  
Dieses bisher ungenügende politische und wirtschaftliche Ergebnis muß 
ich im wesentlichen auf die ungenügende Vorbereitung der Friedensver- 
handlungen seitens des Auswärtigen Amtes und auf die Nachgiebigkeit 
unserer Diplomatie gegenüber dem verbündeten und feindlichen Auslande 
zurückführen. 
Ich habe schon viele Besprechungen mit dem Auswärtigen Amte 
gehabt und den Eindruck gewonnen, daß es die Oberste Heeresleitung wohl 
reden läßt, aber in der Absicht, doch seine ganz eigenen Wege zu gehen. 
So ist es in der litauischen Frage gewesen, so ist es jetzt in der polnischen, 
wo der Staatssekretär einseitig die Entscheidung Euer Majestät erbat, 
auch ohne daß der Reichskanzler davon wußte. 
Nach den Eindrücken in Brest scheinen die deutschen Unterhändler 
mehr diplomatisch als kraftvoll aufgetreten zu sein. Dafür spricht der 
Eindruck, den die russischen Vertreter selbst gewonnen haben — ihr Ver- 
halten am 3. und 4. 1. — ein unflätiges Geschimpfe — ein Nachgeben! 
Dieser gleiche Eindruck herrscht bei vielen Stellen des Heeres und er ist wohl 
geeignet, eine ungünstige Beurteilung auch der Obersten Heeresleitung 
hervorzurufen, die auch im Heer hierfür verantwortlich gemacht wird. 
Ich suche dies nicht; daß es aber geschieht, kann ich nicht verhindern. Der 
lange Schützengrabenkrieg, die zerfahrenen Verhältnisse im Innern haben 
auch hier die Lust an der Kritik gesteigert. Ich kann die Befürchtung nicht 
unterdrücken, daß die Art der Verhandlungen und das Ergebnis in Brest 
die Stimmung der Armee ungünstig beeinflussen. 
In der polnischen Frage haben Euer Majestät geruht, das Urteil des 
Generals Hoffmann höherzustellen als das meinige und das des Generals 
Ludendorff. General Hoffmann ist mir unterstellt und ohne eigene Ver- 
antwortung in der polnischen Frage. Der Vorgang am 2. 1. hat mich und 
General Ludendorff auf das schmerzlichste berührt. Er ist für uns ein 
Zeichen, daß Euer Majestät in einer das Leben des deutschen Vaterlandes 
berührenden Frage unser Urteil hintansetzen. 
Die schwere Lage, in die General Ludendorff und ich Euer Majestät 
gegenüber gekommen sind, entspricht den verschiedenen Anschauungen unse- 
rer jetzigen und späteren militärpolitischen Lage. Ich bin der festen Über- 
zeugung, daß die von uns vertretene zur Stärkung der Monarchie und 
erweiterten Machtstellung Deutschlands führt, während die gegenteilige 
nur den Berg wieder herabführen kann, auf den Euer Majestät und Ihre 
erhabenen Vorfahren Preußen und Deutschland geleitet haben. 
Solange nur beraten und nicht gehandelt wird, treten die Gegensätze 
scheinbar zurück. Wird aber, wie jetzt in der austropolnischen Lösung gegen 
Österreich oder in Brest gegen die Russen, zur Tat geschritten, so zeigen sich 
die gegensätzlichen Auffassungen in ihrer ganzen Schärfe. Bei jeder Ge- 
legenheit wird sich dies und damit die jetzige Lage wiederholen.
	        
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