Full text: Urkunden der Obersten Heeresleitung über ihre Tätigkeit 1916/18

Verantwortlichkeitsfragen 465 
  
  
einzelnen Amtern Geleisteten. Der Vorwurf der mangelhaften Vor- 
bereitung trifft daher auf wirtschaftlichem Gebiet ebensowenig wie auf dem 
Gebiet der Rechtsfragen und der politischen Erfordernisse zu. Daß alle 
zwischen zwei seit annähernd vier Jahren im Krieg stehenden Völkern zu 
lösenden Fragen nicht in einer fünftägigen Verhandlung restlos ge- 
ordnet werden können, liegt auf der Hand. Es ist daher ungerechtfertigt, 
von einem ungenügenden politischen und wirtschaftlichen Ergebnis der 
ersten Phase der Verhandlungen zu sprechen. Ebenso ungerechtfertigt aber 
ist der Vorwurf einer zu weitgehenden Nachgiebigkeit unserer Diplomatie 
gegenüber dem verbündeten und dem feindlichen Ausland, ein Vorwurf, 
für den in der Denkschrift der Versuch einer sachlichen Begründung nicht 
gemacht ist. Endlich muß ich das Auswärtige Amt nachdrücklich gegen den 
Vorwurf in Schutz nehmen, daß es bei Besprechungen mit den Vertretern 
der Obersten Heeresleitung eine zweideutige Haltung eingenommen hätte 
Es ist vielmehr bei allen derartigen Besprechungen immer durchaus loyal 
verfahren und hat seinen Standpunkt, wo er abweichend war, vollkommen 
klar dargelegt. « 
Was die Haltung der Unterhändler in Brest betrifft, so darf ich be- 
merken, daß sie gemäß den erhaltenen Weisungen und den ihnen bekannten 
Intentionen Euer Majestät erfolgte"). Nur diese können für unsere Aus- 
landsvertretung maßgebend sein. 
Ich verkenne keinen Augenblick die große Bedeutung der Stimmung 
im Heere und im Volke. Ich muß es aber ablehnen, die Gestaltung 
unserer zukünftigen Politik von diesem Moment ausschlaggebend beein- 
flussen zu lassen. Eine Politik, die sich von der Rücksicht auf solche Stim- 
mungen zu Augenblickserfolgen drängen läßt, ohne auf die spätere Wir- 
kung dieser Erfolge Rücksicht zu nehmen, würde eine für das Volk selbst 
unheilvolle Bahn einschlagen. Sache des leitenden Staatsmannes ist es, 
unbeirrt durch Augenblicksstimmungen für Generationen einen Zustand zu 
schaffen, der eine friedliche Entwicklung aller Volkskräfte gewährleistet. 
Die von weiten Schichten des Volkes gebilligte Resolution des Reichstags 
vom 19. Juli 1917 ist ebenfalls ein Produkt einer zeitweiligen Stimmung. 
Die Regierung hat ihr zugestimmt, weil sie in dem Augenblick, wo sie ge- 
faßt wurde, den tatsächlichen Machtverhältnissen und der politischen Lage 
zu entsprechen schien. Inzwischen haben die Voraussetzungen sich ge- 
ändert, und die Regierung wird jetzt unbekümmert um die Stimmung in 
weiten Kreisen die politisch notwendigen Konsequenzen der neuen Situation 
ziehen. Sie muß aber für sich in Anspruch nehmen, ohne Rücksicht auf 
Stimmungen in Volk und Heer, gelegentlich auch Maßnahmen zu treffen, 
*) Am 18. Dezember war anders vereinbart. Der Verfasser. 
Urkunden der Obersten Heeresleltung 1916—1918 30
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.