Full text: Urkunden der Obersten Heeresleitung über ihre Tätigkeit 1916/18

472 XXI. Verschiedenes aus der ersten Jahreshälfte 1918 
  
  
vor, in denen sich die Rote Garde einträgt. Unruhe geht durch das Land. 
Starke Truppen müssen zurückbleiben. 
3. Finnland geben wir den Bolschewiki preis. Wir haben seine 
Unabhängigkeitsbestrebungen begünstigt, jetzt lassen wir es im Stich. Wir 
verlieren dadurch an Achtung und Vertrauen und an moralischer Kraft. 
4. Estland und Lioland, zu Tode gehetzt, geben wir englischem Einfluß 
preis, treiben es sogar in Englands Arme. Ein neuer Ententefreund kann 
entstehen. 
5. Die Entente wird neuen Mut schöpfen. Der Krieg wird erneut 
verlängert werden. Schließen wir mit ihr Frieden, dann wird sich 
auch Rußland melden. Wir erreichen also das nicht, was dringend er- 
wünscht ist, mit den einzelnen geschlagenen Feinden zu verhandeln, und 
erschweren das Erreichen der notwendigen militärischen Sicherung. Die 
Verhandlungen mit Rumänien müssen ungünstig beeinflußt werden, und 
wir brauchen die Divisionen von dort und die Offnung der Donau- 
Mündung. 
6. Handeln wir jetzt nicht, bleiben wir stehen, so treten diese Nachteile 
ein, wir sehen mit Gewehr bei Fuß zu, wie alle Verhältnisse sich zu 
unseren Ungunsten verschieben, wir treiben die guten Elemente Rußlands, 
d. h. das Rußland der Zukunft, in die Arme der Entente. 
Handeln wir, so stärken wir unsere Machtstellung der Entente 
gegenüber, festigen den Frieden mit der Ukraine, erreichen den Frieden 
mit Rumänien, festigen unsere Stellung in Litauen und Kurland, ver- 
bessern unsere militärische Lage durch Inbesitzuahme von Dünaburg und 
von Teilen des Baltikums, vielleicht versetzen wir den Bolschewiki den 
Todesstoß, bessern damit unsere Verhältnisse im Innern und zu den 
besseren Schichten Rußlands und können starke Kräfte im OÖsten freimachen, 
unsere ganze militärische und sittliche Kraft zu dem großen Schlage ein- 
setzen, den Seine Majestät jetzt im Westen befohlen hat. Ich hatte mit 
Herrn v. Kühlmann vor einigen Tagen gesprochen; er war der Ansicht, wir 
müssen sofort mit der Offensive im OÖsten beginnen; ich weiß nicht, was 
seinen Sinneswechsel herbeigeführt hat. 
Ich erkläre nochmals pflichtmäßig, daß ein Nichthandeln im Westen 
eine für mich militärisch nicht erträgliche Lage schafft, und ich bitte Euer 
Mojestät alleruntertänigst, nachdem der Reichskanzler den Waffenstillstand 
als nicht mehr bestehend anerkannt hat und damit die Kriegführung wieder 
frei geworden ist, die Kriegführung nicht durch politische Fesseln beengen 
zu lassen, sondern sie wieder freizugeben, wie es zu Kriegsbeginn und vor 
Abschluß des Waffenstillstandes war. Das allein entspricht dem Wesen 
des Krieges und auch dem Heile Euer Mojestät, des Vaterlandes und des 
Heeres, das vor der größten Aufgabe seiner Geschichte steht.
	        
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