Full text: Urkunden der Obersten Heeresleitung über ihre Tätigkeit 1916/18

Zwei Vorschläge zu einer deutschen politischen Offensive 479 
  
Bisher sind von deutscher Seite nur Friedensfühler oder Friedens- 
vorschläge gemacht worden — heimliche und öffentliche. Eine kräftige 
politische Offensive mit dem Ziel, die feindliche Heimatfront zu zertrümmern 
und die eigene Heimatfront zu stärken, ist bisher von der deutschen Re- 
gierung noch nicht unternommen worden. 
Der Zeitpunkt nach Beendigung aller militärischen Operationen ist 
hierfür ungeeignet; selbst eine politische Offensive wirkt dann nur ebenso 
wie ein Friedensfühler: als ein Zeichen der Erschöpfung und Enttäuschung 
und damit als Ermutigung des Gegners, durchzuhalten bis zur Kampagne 
des nächsten Jahres. 
Die politische Offensive muß gleichzeitig mit den militärischen Ope- 
rationen spielen. Bei geschickter Durchfführung muß ihre Wirkung so sein, 
daß die Feinde ihrerseits mach Beendigung der militärischen Operationen 
einen Friedensfühler bei uns unternehmen und damit die deutsche Re- 
gierung jeglicher Schritte, die wie Friedensfühler gedeutet werden könnten, 
entheben. 
Zweifellos wird nach Beendigung der militärischen Operationen des 
Jahres 1918 eine große Friedenskrisis durch die ganze Welt gehen. Das- 
jenige Land wird ihr am ehesten erliegen, dessen Heimatfront vom Feinde 
in den Monaten vor der Friedenskrisis am geschicktesten politisch bearbeitet 
worden ist und daher die geringste Widerstandsfähigkeit hat. Die Re- 
gierung würde in diesem Lande von innen heraus gezwungen werden, eine 
Annäherung an den Feind zu versuchen. 
Es unterliegt keinem Zweifel, daß unsere Gegner während der letzten 
Wochen in dauernder Angst vor einer deutschen politischen Offensive gelebt 
haben; denn sie waren sich der Schwäche ihrer Heimatfront bewußt, wie 
dies deutlich aus den Worten des englischen Ministers Geddes hervorgeht: 
„Allein durch eine psychologische Katastrophe kann unser Land 
besiegt werden“. · 
Diese psychologische Katastrophe kann nur unter der einen Bedingung 
eintreten, daß eine starke Friedenspartei in England sich öffentlich für die 
Beendigung des Krieges einsetzt, während die Regierung gegen die 
Volksstimmung die Fortsetzung des Krieges erzwingen will. In allen 
feindlichen Ländern gibt es mehr oder weniger latente Friedensströmun- 
gen, zwischen denen eine gewisse Zusammenarbeit besteht; in England eine 
starke nationale Friedenspartei, die gewichtige Persönlichkeiten aus allen 
Parteigruppen in sich schließt. Heute, während der Kampf an der Front 
tobt, hält sie noch Ruhe. Sie würde aber in dem Augenblick aus ihrer 
abwartenden Haltung herausgelockt werden, wo einerseits die militäri- 
schen Operationen zum Abschluß gekommen zu sein scheinen, anderseits sie 
an die Existenz einer entsprechenden nationalen Friedenspartei in Deutsch-
	        
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