Schreiben an den Reichskanzler über unsere Ostpolitik 489
mũssen. Die Bahn von Batum über Tiflis nach Djulfa ist für ihre
Operationen von ausschlaggebender Bedeutung. Die Truppentransporte
über diese Bahn müssen der Türkei sichergestellt sein. Auf Betrieb der
Bahn Tiflis—Baku unter deutschem Einfluß können wir nicht verzichten.
Dort müssen uns die Türken den Vorrang lassen. Ebenso darf Baku den
Türken nicht ausgeliefert werden. Wie im übrigen die Verhältnisse im
armenischen und tatarischen Teil Transkaukasiens liegen, muß General
v. Kreß erst feststellen. Als Leitsatz müßte feststehen, daß die Türkei uns
in der Entfaltung der Wehrmacht Georgiens und in der Rohstoffversorgung
aus dem Kaukasus nicht beengen darf. Ein Festsetzen der Türken an der
Bahn Tiflis—Baku und die Besetzung von Baku, die zu einer Vernichtung
der dortigen Olindustrie führen würde, wäre daher eine uns feindliche
Handlung.
Nach vorstehendem haben wir militärische Unterstützung im Osten
von Finnland und Georgien zu erwarten. Das genügt noch nicht. Wir
müssen in vorsichtiger Weise und nicht offiziell auch noch mit den Kosaken-
stämmen Ciskaukasiens in Verbindung treten, die von der Sowjet-Re-
gierung losstreben. Die Wiedererstattung von uns genommener russischer
Waffen kann ein Schritt hierzu sein, falls wir die Garantie haben, daß
sie nicht gegen uns verwendet werden.
Ich glaube, daß damit auf mehr militärischem Gebiet alles geschehen
ist, was unsere Lage im Osten zunächst erfordert, nicht so auf politischem
Gebiet.
Hier kann ich das unehrliche Treiben der Sowjet-Regierung nur mit
schwerstem Mißtrauen ansehen. Ich habe dem Euer Exzellenz gegenüber
schon verschiedentlich Ausdruck gegeben. Das anliegende Telegramm wirft
ein besonders grelles Schlaglicht auf die Haltung dieser Regierung. Ich
darf zudem hier noch an unsere Gefangenenfrage, die Unterstützung der
Roten Garden in Finnland durch die Sowjet-Regierung, die Behandlung
der Entente an der Murman-Bahn, die Frage der Schiffe von Nowo-
rossisk und die Frage der Wiederaufnahme der Handelsbeziehungen mit
uns erinnern. Besonders schwerwiegend ist das Verhalten der Sowjet-
Regierung gegenüber den tschechisch-slowakischen, serbischen und rumänischen
Truppen, wenn dies auch Herr Joffe bestreitet.
Statt vertragsmäßig demobil zu machen, bewaffnete die russische
Sowjet-Regierung die tschechisch-slowakischen usw. Truppen oder ließ sie
bestehen und zunächst in der Ukraine gegen uns kämpfen, um sie dann
nach der Murman-Bahn und dem fernen Osten abfahren zu lassen. Von
hier aus sollten sie — so glaubte die Sowjet-Regierung — nach Frankreich
geschafft werden, um gegen uns zu kämpfen. Den Wünschen der Entente
scheint es indessen mehr entsprochen zu haben, sich mit diesen Truppen an