Beurteilung unserer Lage durch General Pershing 497
Er besteht daher mit äußerster Beharrlichkeit darauf, daß die größt-
mögliche Anzahl von Infanterie und Maschinengewehren, in welcher
Hinsicht die Knappheit an Mannschaften auf seiten der Alliierten ganz
besonders besteht, von Amerika herübergeschafft werden sollte in den
Monaten Juni und Juli, um die sofortige Gefahr einer Niederlage der
Alliierten im gegenwärtigen Feldzuge abzuwenden, welche verursacht
werden würde durch den Umstand, daß die Reserven der Alliierten vor
denjenigen der Deutschen erschöpft sein würden.
Hinzufügend bemerkt er noch, daß, wenn man in die Zukunft sieht, es
unmöglich ist, einen endgültigen Sieg vorauszusehen, wenn nicht Amerika
imstande ist, eine solche Armee zu stellen, welche die Alliierten in die Lage
versetzen wird, endgültig eine zahlenmäßige Üüberlegenheit herzustellen. Er
taxiert die gesamte amerikanische Stärke, welche hierzu erforderlich ist, auf
nicht weniger als 100 Divisionen und dringt auf beständiges Transpor-
tieren von frischen amerikanischen Reserven, welche seiner Meinung nach
nicht weniger als 300 000 per Monat sein sollten mit der Aussicht, eine
gesamte amerikanische Stärke von 100 Divisionen so bald wie nur irgend
möglich herzustellen.
Wir sind befriedigt, daß General Foch, welcher den gegenwärtigen
Feldzug mit vollendeter Geschicklichkeit führt und zu dessen militärischem
Urteil wir nach wie vor das größte Vertrauen haben, die Notwendigkeit
des Falles nicht überschätzt, und bauen darauf, daß die Regierung der
Vereinigten Staaten alles tun wird, was getan werden kann, den Not-
wendigkeiten der augenblicklichen Lage entgegenzukommen und mit be-
ständigem Einsetzen von frischen Reserven, welche hierfür berechnet worden
sind, so schnell wie möglich die zahlenmäßige Überlegenheit herzustellen,
welche der Oberbefehlshaber der alliierten Armeen für wesentlich erachtet,
um zum endgültigen Siege zu gelangen.
Clemenceau. D. Lloyd George. Orlando.“
Aus der Revue des Deux Mondes. Besprechung der Kriegserinnerungen
des Generals Ludendorff von General Bual.
„Wir haben Stunden gekannt, in denen Ludendorff uns in eine Lage
versetzte, ähnlich der, die wir soeben beschrieben haben (Herbst 1918).
Das war Ende Juni 1918 .. wo wir fürchten konnten, nicht mehr
genügend Divisionen in Reserve zu haben. Hätten die Deutschen in diesem
Zeitpunkt einen dritten starken Angriff an irgendeinem anderen Punkt
unserer Front gemacht, so kann niemand sagen, wie es gekommen wäre."“
(Leider war dieser Angriff nicht möglich, aber die viel angegriffene
Berechnung der feindlichen Reserven seitens der Obersten Heeresleitung
findet dadurch ihre Bestätigung. Der Verfasser.)
Urkunden der Obersten Heere#leitung 1916 —1918. 32