Besprechungen über eine neutrale Friedensvermittlung u. d. Buriansche Friedensschritt 509
Abgeordneter Stresemann schreibt am 23. März 1919 in „Deutsche
Stimmen" vom 23. März 1919:
„Am 21. August fand dann jene Sitzung im Reichsamt des Innern
statt, in der nach meiner Auffassung auch die politische Leitung des Reiches
sich zu der Auffassung bekannte, daß der Krieg nicht mehr zu gewinnen
wäre und sobald als möglich liquidiert werden müsse. In dieser Be-
sprechung, an der außer dem Vizekanzler v. Payer, dem Staatssekretär
v. Hintze, Exzellenz Kriege und Lewald sowie dem Ministerialdirektor
Deutelmoser von den Parteiführern Ebert, Gröber, Westarp, Wiemer und
Stresemann teilnahmen, hielt Herr v. Hintze eine Rede über die politische
Lage, die man nur als todernst bezeichnen konnte. Unter direkter Bezug-
nahme auf Besprechungen im Hauptquartier sprach Herr v. Hintze davon,
daß die Entente sich im Siegestaumel befinde, daß im Hauptquartier unsere
Mißerfolge offen zugegeben würden. Dazu sei Österreich stark erschöpft,
Bulgarien stark kriegsmüde. Angesichts dieser Lage sei es notwendig, alle
Fäden für den Frieden anzuspinnen und alle feindlichen Fäden zu er-
greifen. In dieser Beziehung seien bereits Beschlüsse gefaßt und die Ab-
sichten festgestellt.
Im Laufe der Debatte kam Herr v. Hintze noch einmal auf diese Aus-
führungen zurück, als seitens eines Parteiführecs die Zweckmäßigkeit eines
etwaigen Friedensangebotes, das bereits aus den Worten des Staatssekre-
tärs herausgelesen worden war, bezweifelt wurde. Er betonte, daß man
kühl abwägend und vorsichtig vorgehen müsse, zumal die Agenturberichte
Kenntnis von dem Vernichtungswillen der Feinde ablegten. Aber noch
einmal wiederholte der Staatssekretär seine Worte von dem Annehmen
der Fühler und dem Anspinnen der Fäden, und alle Teilnehmer standen
wohl unter dem Eindruck, daß angesichts der Schwere der militärischen und
politisch-diplomatischen Situation eine Friedensaktion Deutschlands,
vielleicht durch Vermittlung einer neutralen Macht, in Vorbereitung sei,
hatte doch der in seinen Außerungen so vorsichtig abwägende Staatssekretär
ausdrücklich davon gesprochen: Die Beschlüsse sind gefaßt, die Absichten sind
festgestellt.“
5.
Meine Stellung zur belgischen Frage.
Graf Limburg--Stirum") gibt folgende Schilderung unter dem
30. Juli 1919:
„Ende August 1918 reisten Exzellenz v. Payer und ich nachts von
Berlin nach Spaa, wo der Reichskanzler Graf Hertling sich noch aufhielt.
Im Laufe des Nachmittags des Ankunftstages wurde vom Reichskanzler
°) Vertreter des Reichskanzlers bei der O. H. L.