510 XXII. Friedensverhandlungen
und von Herrn v. Payer der Entwurf einer von einem deutschen Staats-
mann in nächster Zeit über Belgien abzugebenden Erklärung verfaßt.
In der darauffolgenden Nacht fuhren Exzellenz v. Payer und ich nach
Avesnes. Am nächsten Vormittage, bald nach der Ankunft, hatte v. Payer
in meiner Gegenwart eine längere Unterredung mit Exzellenz Ludendorff
über diesen Entwurf.
Exzellenz Ludendorff machte Einwände gegen den Wortlaut dieses
Entwurfs und erklärte, dem Generalfeldmarschall vor endgültiger Ent-
scheidung Vortrag halten zu müssen. Nach Beendigung der etwa einstündi-
gen Unterredung fuhren v. Payer, Oberstleutnant Nicolai und ich in die
Gegend von St. Quentin und kamen gegen 7 Uhr zurück.
Im Laufe des Abends bat Exzellenz Ludendorff mich zu sich und
übergab mir folgendes eigenhändig geschriebene, nicht unterschriebene
Schriftstück.
7Gegenentwurf: England behauptet nur wegen Belgien Krieg zu
führen; es verfolgt andere Ziele: Deutschlands politische und wirtschaftliche
Vernichtung. Daß es sich dabei selbst mitvernichtet, will es nicht merken.
Der Reichskanzler hat sich über Belgien klar ausgesprochen, ohne Be-
lastung und Vorbehalt wollen wir Belgien mit Abschluß des Friedens seine
völlige Selbständigkeit zurückgeben in der Voraussetzung, daß ihm gegen-
über kein anderer Staat politisch, militärisch und wirtschaftlich besser gestellt
werden wird. Wir zweifeln nicht, daß die zwischen uns und Belgien er-
forderliche Verständigung über die Einzelheiten, auch über die Vlamen,
den beiderseitigen Interessen gerecht werden und zur Förderung des
Friedens beitragen wird. Wir verlangen daher Rückgabe unserer Kolonien
und den Verzicht Englands auf Calais. Darüber besteht Einverständnis
zwischen Reichsleitung und Oberster Heeresleitung").=
Dieses Schriftstück übergab mir Exzellenz Ludendorff mit dem Hinzu-
fügen, daß keiner seiner Mitarbeiter Kenntnis von dem Gegenentwurf
habe.
Nach Kenntnisnahme war Herr v. Payer sehr befriedigt und äußerte
auf der Rückfahrt nach Spaa zu mir: Meine Fahrt ist nicht vergeblich ge-
wesen. Vielleicht werden wir noch einmal an diese Fahrt zurückdenken
als von welthistorischer Bedeutung. Sie wird den Frieden bringen.o##
In Spaa wurde vom Herrn Reichskanzler und Herrn v. Payer eine
neue Fassung ausgearbeitet, welche die Billigung der Obersten Heeres-
leitung fand und in nächster Zeit in einer Rede eines deutschen Staats-
*) Dies wurde von der Reichsleitung besonders gewünscht. Sie legte Wert darauf,
nicht etwa die O. H. L. Auf der einen Seite wurde gegen die „Politik“ der O. H. L.
scharf Stellung genommen, auf der anderen suchte die Reichsleitung Rückhalt bei der
O. H. L., die so gegen ihren Willen ein politischer Faktor wurde. Der Verfasser.