Besprechungen Über eine neutrale Friedensvermittlung u. d. Buriansche Friedensschritt 511
mannes bekanntgegeben werden sollte. Herr v. Payer selbst gab die Erklä-
rung in einer Versammlung in Württemberg ab; davon, daß Graf Hertling
die Erklärung abgeben sollte, ist nie die Rede gewesen.“
Oberst v. Haeften gegenüber habe ich mich Mitte August 1918 in
gleichem Sinne geäußert.
Von der Mission des Grafen Törring ist mir in jenen Tagen nichts
bekannt geworden. Ich hörte erst im Sommer 1919 davon.
6.
Meine Stellung zur polnischen Frage.
Staatssekretär v. Hintze trat am 28. August mit der Obersten Heeres-
leitung über die polnische Frage in Verbindung. Er drahtete:
„Graf sagt mir streng vertraulich im Auftrage des bei
den Unterhandlungen in Wien habe Graf Burian den polnischen Herren
seine Mißstimmung zum Ausdruck gebracht, daß bei den Besprechungen im
Großen Hauptquartier die austro-polnische Lösung gar nicht mehr zur
Sprache gekommen sei, sondern nur die Frage der Thronkandidatur des
Erzherzogs Karl Stephan. Hierauf habe er geantwortet, er müsse hierüber
erst die polnischen Wünsche hören. Den Polen gegenüber hat Graf Burian
auf der austro-polnischen Lösung bestanden und jedem einzelnen die Vor-
züge derselben auseinandergesetzt. Er habe eine Besprechung à trois
zwischen Deutschland, ÖOsterreich und Polen vorgeschlagen.
Graf.. wunscht eine klarere Auskunft über das, was wir den
Polen im Falle der Kandidatenlösung") bieten wollen. Er behauptet,
wohl mit Recht, Warschau müsse dieses wissen, um der Agitation für die
austro-polnische Lösung erfolgreich entgegentreten zu können. Bezühglich
des Cholmer Landes formulierte er seinen Wunsch folgendermaßen:
Polen wünscht die Linie Pripjet—Bud g, die durch eine gemischte Kom-
mission festzulegen sei. Hierbei soll Deutschland für die polnischen Wünsche
eintreten. I
Das weiß-russische Gebiet nördlich von Kongreßpolen wünscht Polen
zu erhalten, um eine gemeinsame Grenze auch mit Rußland zu haben.
Bezüglich der Stadt Wilna schlägt ... in Übereinstimmung mit
folgende Formel vor:
Die Stadt Wilna und die vier angrenzenden Kreise sollen das Recht
erhalten, durch Selbstbestimmung zu entscheiden, wohin sie gehören wollen.
Eine gemischte Kommission aus je einem Deutschen, Polen und Litauer soll
hierbei die Kontrolle führen.
*) Hierunter wurde die Lösung verstanden, die Seine Majestät Mitte August an-
geordnet hatte und die Polen einen Herrscher nach eigener Wahl geben sollte.