522 XXII. Friedensverhandlungen
B. Das Friedens= und Waffenstillstandsangebot und die
Revolution von oben.
1.
Schon am 2. 9H. meldet der bulgarische General Gantschew nac,
Sofia: „Bezüglich des Burianschen Friedensvorschlages erfuhr ich heute
im deutschen Auswärtigen Amt von Rosenberg folgendes: #P# ie deutsche
Regierung sei der Ansicht, der Vorschlag solle nicht an alle kriegführenden
Länder gerichtet werden und solle nicht öffentlich geschehen, sondern solle
auf dem diplomatischen Wege . geheim, und zwar nur an Willson.
Die Deutschen seien bereit, der Ambition Wilsons, die erste Rolle bei der
Führung der Verhandlungen zu spielen, Genüge zu leisten, und seien sogar
bereit, auf eine Konferenz nach Washington zu gehene.“"
Mit der O. H. L. hat das Auswärtige Amt nicht in diesem Sinne ge-
sprochen.
2.
Aufzeichnung aus der „Vorgeschichte des Waffenskillstandes“.
„Berlin, 28. September 1918.
Wichtigste Voraussetzung für die Einleitung des Friedens") ist die so-
fortige Bildung einer neuen Regierung auf breiter nationaler Basis auf
freie Initiative Seiner Moajestät des Kaisers. Hierzu wäre erwünscht, daß
möglichst schon morgen abend ein Telegramm in Berlin eintrifft, das die
Annahme der von Graf Hertling erbetenen Demission mitteilt und den
Vizekanzler v. Payer beauftragt, dem Kaiser sofort wegen der Person des
neuen Kanzlers und der Zusammensetzung der neuen Regierung Vorschläge
zu machen. Das neue Kabinett soll alle Kräfte des Volkes auf breitester
nationaler Grundlage zusammenfassen und der Verteidigung des Vater-
landes nutzbar machen. Um die Erreichung dieses Zieles zu sichern, soll
der Vizekanzler auf ausdrücklichen Wunsch des Kaisers das Präsidium des
Reichstags und die Parteiführer hören und im engsten Einvernehmen mit
der Volksvertretung seine Vorschläge ausarbeiten.
Die auf diese Weise neu gebildete Regierung würde im gegebenen
Moment an den Präsidenten Wilson heranzutreten haben mit dem
Ersuchen,
die Herstellung des Friedens in die Hand zu nehmen und zu diesem
Zwecke allen kriegführenden Parteien die Entsendung von bevoll-
mächtigten Delegierten nach Washington vorzuschlagen.
*) In Wien und Konstantinopel herrschten ähnliche Gedankengänge. Das Aus-
scheiden Bulgariens aus dem Vierbund stand fest. Der Verfasser.