524 XXII. Friedensverhandlungen
Am 29. früh fand die Besprechung mit dem Staatssekretär v. Hintze
statt. Dieser vertrat die unter Ziffer 1 und 2 aufgeführten Ansichten als seine
eigenen, ohne uns die Gedankengänge in Berlin (Ziffer 2) mitzuteilen. Der
Generalfeldmarschall und ich legten unsere Ansichten dar und betonten die
Rotwendigkeit des Weiterkampfes im Falle eines entehrenden oder Ver-
nichtungsfriedens.
Der Staatssekretär gab mir auf die Frage, wann die von ihm ge-
wünschte neue Regierung gebildet und beschlußfähig wäre und die Note
mit den Verbündeten vereinbart sein und abgehen könne, Dienstag, den
1. Oktober, an.
—s— —.
4.
Aufzeichnungen des Königl. Sächsischen Mililär-Bevollmächtiglen
Generalmajors v. Eulißz.
Er schreibt unter dem 1. August 1919 an General v. Mertz:
„Die Veröffentlichung des neuen deutschen Weißbuches über die Vor-
geschichte des Waffenstillstandes veranlaßt mich, Ihnen meine Aufzeichnun-
gen vom 30. September 1918 über eine Besprechung des Generals Luden-
dorff mit den drei deutschen Militärbevollmächtigten im Gr. H. Qu. mitzu-
teilen. Die Aufzeichnungen sind unmittelbar nach der Besprechung nieder-
geschrieben, nach Notizen, die ich mir während der Besprechung gemacht
hatte.
„General Ludendorff eröffnete heute 11,15 Uhr vormittags den
deutschen Militärbevollmächtigten im Gr. H. Qu. etwa folgendes:
Die Ereignisse in Bulgarien haben die Oberste Heeresleitung über-
rascht"“), die bulgarische Armee ist zusammengebrochen. Waffenstillstand ist
heute geschlossen. Die Stellung des Zaren zu den Ereignissen ist nicht voll-
kommen geklärt.
Vier deutsche und zwei österreichische Divisionen sind zur Wiederher-
stellung der militärischen Lage im Antransport auf Risch. Außerdem ist
eine deutsche Division für Konstantinopel bestimmt, sieben Divisionen fallen
damit für den Westen oder gegen Rumänien aus. Die Lage ist in Rumä-
nien ungeklärt, erfordert besondere Aufmerksamkeit.
Die Türkei ist bedroht. Es steht zu befürchten, daß die Entente Kräfte
von Mazedonien nach Konstantinopel in den Rücken der Türkei schickt und
dadurch die Türken in schwierigste Lage bringt.
Die Grenze Österreichs und damit die Südostfront ist bedroht. Die
Ereignisse im Osten entziehen dem Westen Kräfte. Sie wirken höchst un-
günstig auf die Westfront ein.
*) Mit einem Geländeverlust wurde stets gerechnet; die Hoffnung war vorhanden,
daß die bereiten Reserven den Angriff zum Stehen bringen würden. Der Verfasser.