530 XXII. Friedensverhandlungen
Dies in Verbindung mit dem Vorhergegangenen machte mich stutzig, ließ
darauf schließen, daß ich als Vertreter der Obersten Heeresleitung zu inner-
politischen Zwecken (Druck auf die Rechte) ausgenutzt werden sollte. Da ich
den bestimmten Standpunkt des Generals Ludendorff, sich innerpolitischen
Vorgängen fernzuhalten, kannte, lehnte ich den Vortrag im Herrenhause
ab. General Ludendorff erklärte sich später mit diesem Entschluß ein-
verstanden.
Bei diesem Vorfall ist folgendes bemerkenswert: Der Obersten Heeres-
leitung wird von vielen Seiten vorgeworfen, ihr eigenes Verhalten und
das ihrer Mitglieder hätten in Berlin Panikstimmung erzeugt. Ich weiß
mich von diesem Vorwurf frei, was ich gesagt habe, hatte ich Schwarz auf
Weiß bei mir (ogl. Vortrag am 2. Oktober)"). Wohl aber habe ich schon
damals den Eindruck gehabt, daß die aus Spaa zurückkehrenden Staats-
sekretäre, besonders Graf Roedern, zur Durchführung des von ihm emp-
fohlenen und gewünschten Drucks nach links, besonders aber, um die Wahl-
reform im Herrenhause im Galopptempo durchzupeitschen, die militärische
Lage den rechts stehenden Parteien so schwarz wie möglich geschildert
haben. Bei diesem Bemühen, dem ich dem Anschein nach sekundieren
sollte, sind dann wahrscheinlich die Ausdrücke Durchbruch, Katastrophe usw.
gefallen.
Am Nachmittag kam Prinz Max von Baden in Berlin an.
Am Abend wurde ich noch zu einer Besprechung gerufen, die zwischen
Prinz Max von Baden, Vizekanzler v. Payer, dem Staatssekretär v. Hintze
und Graf Roedern stattfand. Ich sprach nur wenige Worte. Der Prinz
sagte, er wisse schon alles. Er fragte mich nur, ob das Waffenstillstands-
angebot so bald erfolgen müsse. Ich bejahte auf Grund meiner mir gegebe-
nen Weisung und der mir auf meine erneute Anfrage aus dem Haupt-
quartier von Oberst Heye oder Major v. Stülpnagel gemachten Mitteilung,
daß naturgemäß die Anschauung über die Notwendigkeit eines schnellen
Handelns sich in keiner Weise geändert habe. Der Prinz wollte nur ein
Friedensangebot machen. Seine Vorschläge wurden von den anwesenden
Ministern kurz abgetan.
Immerhin schien die Möglichkeit vorhanden, die Friedensnote am
2. Oktober herauszugeben, falls man sich über ihren Inhalt einigte. Da
stellte sich ein neues Hindernis heraus. Der Großherzog von Baden hatte
die Genehmigung zur Annahme der Reichskanzlerschaft durch den Prinzen
Max noch nicht erteilt. Alle Herren hielten es für ausgeschlossen, die Er-
laubnis bis zum nächsten Morgen zu erwirken. Die Anfrage mußte durch
Seine Majestät den Kaiser erfolgen. Seine Majestät befand sich auf der
Fahrt von Spaa nach Berlin. Ich schlug vor, die Anfrage auf telephonischem
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