538 XXII. Friedensverhandlungen
Bis jetzt reichten unsere Reserven aus, um die Lücken zu füllen. Die
Eisenbahn brachte sie rechtzeitig heran. Unerhört schwere Anstürme wurden
abgewiesen. Die Kämpfe werden als von bisher nicht dagewesener
Schwere geschildert. Nun gehen unsere Reserven zu Ende. Greift der
Gegner weiter an, so kann es die Lage fordern, daß wir auf großen Front-
strecken kämpfend ausweichen. Wir können auf diese Art den Krieg noch
auf absehbare Zeit weiterführen, dem Gegner schwere Verluste beibringen,
verwüstetes Land hinterlassen, gewinnen können wir damit nicht mehr.
Diese Erkenntnis und die Ereignisse ließen in dem Herrn General-
feldmarschall und General Ludendorff den Entschluß reifen, Seiner Ma-
jestät dem Kaiser vorzuschlagen, zu versuchen, den Kampf abzubrechen,
um dem deutschen Volke und seinen Verbündeten weitere Opfer zu er-
sparen.
Ebenso wie unsere große Offensive vom 15. Juli sofort eingestellt
wurde, als ihre Fortführung nicht mehr im Verhältnis zu den zu bringenden
Opfern stand, ebenso mußte jetzt der Entschluß gefaßt werden, die Fort-
letzung des Krieges als aussichtslos aufzugeben. Noch ist hierzu Zeit. Noch
ist das deutsche Heer stark genug, um den Gegner monatelang aufzuhalten,
örtliche Erfolge zu erringen und die Entente vor neue Opfer zu stellen.
Aber jeder Tag weiter bringt den Gegner seinem Ziel näher und wird ihn
weniger geneigt machen, mit uns einen für uns erträglichen Frieden zu
schließen.
Deshalb darf keine Zeit verloren gehen. Jede 24 Stunden können die
Lage verschlechtern und dem Gegner Gelegenheit geben, unsere augenblick-
liche Schwäche klar zu erkennen.
Das könnte die unheilvollsten Folgen für die Friedensaussichten, wie
für die militärische Lage haben.
Weder Heer noch Heimat dürfen irgend etwas tun, was Schwäche er-
kennen ließe. Im Gegenteil, Heimat und Heer mühssen fester noch als bisher
zusammenhalten. Gleichzeitig mit dem Friedensangebot muß eine ge-
schlossene Front in der Heimat erstehen, die erkennen läßt, daß der un-
beugsame Wille besteht, den Krieg fortzusetzen, wenn der Feind uns keinen
Frieden oder nur einen demütigenden Frieden geben will.
Sollte dieser Fall eintreten, dann wird das Durchhalten des Heeres
entscheidend von der festen Haltung der Heimat und dem Geist, der aus der
Heimat zum Heere dringt abhängene“ (vgl. Ziffer 2 1. Absatz über das
Kabinett zur nationalen Verteidigung).
Anmerkung des Moajors Freiherr v. dem Bussche zu seinem Vortrage:
„1. Der Vortrag ist von mir wörtlich verlesen worden. Nur an der
Stelle, die die Leistungen unserer kämpfenden Truppen betraf, suchte und
fand ich wärmere Worte.