548 XXII. Friedensverhandlungen
das G. v.-System aufhören; jetzt wollen die G. v.-Leute nicht kämpfen. Wir können
durch schärferes Zufassen in der Heimat mehr Leute bekommen. Levée en masse’)
würde mehr zerstören, als man ertragen kann.
Nr. 36 des Weißbuchs fährt nach Slellung dieser sieben Fragen fort:
Nach den bisher eingegangenen Nachrichten erscheint es nicht ausgeschlossen, daß
Präsident Wilson als Vorbedingung für den Eintritt in die Verhandlungen die Räu-
mung Belgiens und Nordfrankreichs fordern wird; es fragt sich daher weiter:
1. Würde die Oberste Heeresleitung empfehlen, daß wir eine solche Forderung
bedingungslos annehmen oder daß wir sie mit Gegenbedingungen beantworten!
I. Keine bedingungslose Annahme, sondern Gegenbedingungen.
Weißbuch fährt sort: Falls die militärische Lage unter den oben angeführten
Gesichtspunkten einen Zeitverlust durch Verhandlungen zuläßt, kämen als Gegen-
bedingungen in Frage:
a) Die von Frankreich und England besetzten Gebiete Ober-Elsaß (eventuell auch
die deutschen Kolonien), sind gleichfalls zu räumen.
1
b) Garantien sind dafür zu leisten, daß der Feind uns nicht folgt. Eventuell
könnte gefordert werden, daß die von uns geräumten französischen Gebiete nur von
amerikanischen Truppen besetzt werden und daß Belgien nur von belgischen Truppen
betreten, seine Neutralität von allen Kriegführenden geachtet und der belgische Boden
nicht wieder zum Kriegsschauplatz gemacht wird.
I. Es muß eine Demarkationslinie bestimmt werden. Die Neutralität Belgiens
muß erreicht werden.
c) Erklärung unserseits, daß wir, um die Verschlechterung unserer strategischen
Lage im Westen auszugleichen, unsere Truppen auch aus den von uns besetzten Ge-
bieten im Osten (Baltikum, Litauen, Polen und Ukraine) zurücknehmen müßten, was
diese Gebiete dann dem Bolschewismus ausliefern würde.
I. Die Erklärung kann gegeben werden.
2. Innerhalb welcher Zeit könnte die Räumung von Nordfrankreich und Belgien
durchgeführt werden, wenn sie mit der Unterzeichnung des Waffenstillstandes beginnt!
I. Innerhalb 2 bis 3 Monaten. Die Räumung muß abschnittweise erfolgen.
3. Werden wir nach der Räumung mit den uns noch zur Verfügung stehenden
Kräften in der Lage sein, die deutsch-französische Grenze zu halten, falls im weiteren
Verlauf die Friedensverhandlungen scheitern und die Gegner von neuem zum Angriff
übergehen?!
I. Wenn die Grenze sofort ausgebaut wird, ja.
II. Wir sind in der Lage die Grenze zu halten. Wir können deutsche Festungen
nicht übergeben. Gegenforderungen müssen wir stellen.
Zu vorstehend 1 bis 3:
II. Wir haben im besetzten Gebiet ungeheures Material. Nach üÜberschlag
dauert Räumung 2 bis 3 Monate bei Fußmarsch (bei Fahren länger). Armee muß
schlagfertig bleiben, kann also nur abschnittsweise zurück. Steht sie an der Grenze,
so kann sie jeden feindlichen Angriff abwehren. Bedenklich nur Fliegergefahr für
Industriegebiet. Also anstreben, daß nach Belgien nur belgische Truppen folgen.
Nr. 36 des Weißbuchs enthält noch folgende Fragen:
Präsident Wilson könnte mit der Begründung, daß er Sicherheiten braucht, die
Besetzung deutscher Festungen an unserer Westgrenze fordern.
*) Ich führte damals in der Sitzung noch aus: Frankreich konnte 1870/71 eine
levée en masse machen, damals waren Heer und Volk noch nicht so eins wie in diesem
gewaltigen Weltkriege. Heute hatten wir schon ein Heer, das aus der levée en masse
hervorgegangen war. Die Verhältnisse hatten eine ganz andere Form angenommen.
Wir hatten nicht nur zu kämpfen, sondern auch zu arbeiten. Klare Bestimmungen
waren notwendig, kein Arbeiten nach einem Schlagwort. Zudem zweifelte ich an, ob
wirklich alle Volksteile diesem Rufe folgen würden.