574 XXII. Friedensverhandlungen
Ichkann mir trotz der ungemein schweren Lage der
Armee keinen anderen Weg denken und hoffe fest,
daß die Regierung für diesen schweren Entschluß das
ganze Vaterland hinter sich haben wird.
gez. v. Hindenburg.“
19.
Die dritte deutsche Note vom 20. Okkober.
Die deutsche Regierung ist bei der Annahme des Vorschlages zur Räumung
der besetzten Gebiete davon ausgegangen, daß das Verfahren bei dieser Räumung und
die Bedingungen des Waffenstillstandes der Beurteilung militärischer Ratgeber zu
überlassen sei und daß das gegenwärtige Kräfteverhältnis an den Fronten den Ab-
machungen zugrunde zu legen ist, die es sichern und verbürgen. Die deutsche Regierung
gibt dem Präsidenten anheim, zur Regelung der Einzelheiten eine Gelegenheit zu
schaffen. Sie vertraut darauf, daß der Präsident der Vereinigten Staaten keine
Forderungen gut heißen wird, die mit der Ehre des deutschen Volkes und mit der
Anbahnung eines Friedens der Gerechtigkeit unvereinbar sein würden.
Die Deutsche Regierung legt Verwahrung ein gegen den Vorwurf ungesetzlicher
und unmenschlicher Handlungen, der gegen die deutschen Land= und Seestreitkräfte und
damit gegen das deutsche Volk erhoben wird.
Zerstörungen werden zur Deckung eines Rückzuges immer nötig sein und sind
insoweit völkerrechtlich gestattet. Die deutschen Truppen haben die strengste Weisung,
das Privateigentum zu schonen und für die Bevölkerung nach Kräften zu sorgen. Wo
trotzdem Ausschreitungen vorkommen, werden die Schuldigen bestraft.
Die Deutsche Regierung bestreitet auch, daß die deutsche Marine bei Ver-
senkung von Schiffen Rettungsboote nebst ihren Insassen absichtlich vernichtet habe.
Die Deutsche Regierung schlägt vor, in allen diesen Punkten den Sachverhalt
durch neutrale Kommissionen aufklären zu lassen.
Um alles zu verhüten, was das Friedenswerk erschweren könnte, sind auf Ver-
anlassung der Deutschen Regierung an sämtliche Unterseebootkommandanten Besehle
ergangen, die eine Torpedierung von Passagierschiffen ausschließen, wobei jedoch aus
technischen Gründen eine Gewähr nicht dafür übernommen werden kann, daß dieser
Befehl jedes auf See befindliche Unterseeboot vor seiner Rückkehr erreicht.
Als grundlegende Bedingung für den Frieden bezeichnet der Präsident die
Beseitigung jeder auf Willkür beruhenden Macht, die für sich, unkontrolliert und aus
eigenem Empfinden den Frieden der Welt stören kann. Darauf antwortet die Deutsche
Regierung: Im Deutschen Reich stand der Volksvertretung ein Einfluß auf die
Bildung der Regierung bisher nicht zu. Die Verfassung sah bei der Entscheidung
über Krieg und Frieden eine Mitwirkung der Volksvertretung nicht vor. In diesen
Verhältnissen ist ein grundlegender Wandel eingetreten. Die neue Regierung ist in
völliger Übereinstimmung mit den Wünschen der aus dem gleichen, allgemeinen, ge-
heimen und direkten Wahlrecht hervorgegangenen Volksvertretung gebildet. Die Führer
der großen Parteien des Reichstags gehören zu ihren Mitgliedern. Auch künftig kann
keine Regierung ihr Amt antreten oder weiterführen ohne das Vertrauen der Mehrheit
des Reichstages zu besitzen. Die Verantwortung des Reichskanzlers gegenüber der
Volksvertretung wird gesetzlich ausgebaut und sichergestellt. Die erste Tat der neuen
Regierung ist gewesen, dem Reichstag ein Gesetz vorzulegen, durch das die Verfassung
des Reichs dahin geändert wird, daß zur Entscheidung über Krieg und Frieden die
Zustimmung der Volksvertretung erforderlich ist.
Die Gewähr für die Dauer des neuen Systems ruht aber nicht nur in den
gesetzlichen Bürgschaften, sondern auch in dem unerschütterlichen Willen des deutschen