Die Abwehr im Stellungskriege 605
mittel für neu einzuschiebende Verbände, die Sorge für Unterkunft, für Be-
reitlegung und Nachschub von Munition, Baustoffen und
Gerät aller Art sind oft wichtiger als die eigentlichen Kampfanlagen. Von
letzteren stehen die im Zwischengelände zu verteilenden Unter-
stände für Bereitschaften und Reserven, für Befehlsstellen
und Munition in erster Linie.
3. Das feindliche Angriffsver fahren.
Bisher griff der Feind nach wochen-, oft nach monatelangen Vorbereitungen an
einer Stelle an, deren Ausdehnung der Verteidiger vorher leicht erkennen konnte.
In Zukunft werden aber bei der Länge des Stellungskrieges an vielen Stellen
der Front die Angriffsvorbereitungen derart gefördert sein, daß der Feind versuchen
kann, sich durch erhöhte Beweglichkeit und durch Verschleierung
seiner letzten Vorbereitungen den Vorteil der UÜberraschung
zu sichern. Hierzu wird er auf breitester Front an vielen Stellen Angreiffsvor-
bereitungen treffen und sich die Möglichkeit schneller Verschiebungen schaffen. (Straßen,
Bahnen, Stellungen usw. vorbereiten, Munition, Verpflegung, Gerät aller Art nieder-
legen, viele Kraftwagen und bespannte Formationen bereitstellen.) Die Angriffsstelle
wird er dann so wählen, daß er an einer nicht für den hartnäckigsten Widerstand
vorbereiteten Front mit stärkster Überlegenheit überraschend nach ganz kurzer Feuer-
vorbereitung durchbricht.
Aber auch für einen solchen Uberraschungsangriff sind umfangreiche Vor-
bereitungen des Angreifers unerläßlich, die gegen die planmäßige Lufterkundung
schwer zu verbergen sind.
4. Bei sorgfältiger Aufklärung, die während des gewöhrnlichen
Stellungskrieges nie aussetzen darf, werden feindliche Angriffsabsichten stets recht-
zeitig erkannt werden.
Anzeichen für einen bevorstehenden Angriff sind:
a) Neubau von Straßen, Voll= und Förderbahnen, Lagern u. dgl.;
b) allgemeine Steigerung des Verkehrs hinter der feindlichen Front;
P) Verstärkung des feindlichen Flieger= und Flugabwehrdienstes, um unsere Auf-
klärung lahmzulegen; Vermehrung der Ballone;
d) Auftreten neuer als besonders gut bekannter Truppen vor der Front (oft nur
vorübergehender Einsatz zum Kennenlernen des Geländes); Verengung der Gesfechts-
streisen:
e) Entstehen neuer Artilleriefeuerstellungen, auch wenn aus ihnen zunächst noch
nicht geschossen wird;
i) Entstehen neuer Infanterieanlagen: Unterstände, Versammlungsgräben,
Minenwerferstände, Verbindungsgräben ins Hintergelände, Nahkampfmitteldepots;
8) Verstärkung der feindlichen Artillerietätigkeit auf der ganzen Front, plan-
mäßiges, unauffälliges Einschießen gegen unsere Stellungen, Verbindungen und
wichtige Punkte des Hintergeländes;
h) Heranarbeiten der feindlichen Infanterie.
Ein Teil dieser Anzeichen wird auf denjenigen Fronten fehlen oder schwer zu
erkennen sein, auf denen feindliche Angriffe bereits stattgefunden haben, oder die An-
zeichen werden zur Täuschung und Ablenkung an einzelnen Stellen auffällig hervor-
treten, während an anderer Stelle sorgfältige Verschleierung das Erkennen erschwert.
5. Ist die feindliche Angriffsabsicht erkannt, so muß der Verteidiger mit den
Abwehrmaßnahmen dem Feind rechtzeitig begegnen und in
der Kampferöffnung zuvorkommen. Der Angriff soll dadurch in seiner
Entwicklung gehemmt und in seiner Kraft frühzeitig getroffen werden. Hierzu ist nötig:
a) Die Vorbereitungen (Siff. 2) zu einem schnellen und ausreichenden
Abschluß zu bringen;
b) durch Einschiebung und Bereitstellung neuer Verbände
und Truppen aller Waffen die Kampfkraft zu verstärken. Hierfür werden in Zeiten