Full text: Urkunden der Obersten Heeresleitung über ihre Tätigkeit 1916/18

Die Abwehr im Stellungskriege 607 
  
Auch im Verlauf des Kampfes um die Hauptkampfzone kann die 
Räumung einzelner Stellungsteile dieser Zone vorteilhafter werden, als ihr dauerndes 
Festhalten um jeden Preis. Heeresgruppenkdos., A. O. Ks. und Genkdos. — in drin- 
genden Fällen die Divisionen — haben dann die Pflicht, die dauernde Räumung 
rechtzeitig zu befehlen. Die Moral der Truppe wird in solchen Fällen bei rechtzeitigem 
Zurückgehen auf Befehl nie geschädigt werden, wenn sie die Gründe versteht, 
während starres Festhalten von Punkten, die offensichtlich für 
uns ungünstig geworden sind, ihr Vertrauen erschüttern muß. 
Gleiche Gesichtspunkte sind für den Entschluß der Führung bei Verlust von 
Stellungsteilen maßgebend. Gelingen die sofort einsetzenden Gegenstöße nicht, 
so hat die obere Führung zu entscheiden, ob ein planmäßiger Gegenangriff gemacht 
werden soll. Hierfür ist in der Regel viel Zeit und starker Kräfteeinsatz erforderlich. 
ÜUbereitlte Gegenangriffe mit zu schwachen Kräften mißlingen 
stets; sie belasten die Führung. Bei allen Gegenangriffen muß der wahr- 
scheinliche Erfolg im richtigen Verhältnis zu dem zu erwartenden Verlust an Menschen 
und zu dem Einsatz an Arbeit, Munition und Gerät stehen. Hiermit schonend um- 
zugehen, ist stets ernste Pflicht aller Führer. 
Die Entscheidung über dauernde Räumung oder über Ver- 
zicht auf Wiedereroberung eines Stellungsteils darf nicht nur 
von örtlichen Erwägungen abhängig gemacht werden; es ist auch zu prüfen, welcher 
Einfluß dadurch auf benachbarte Teile ausgeübt wird und ob für den geräumten oder 
verlorenen Teil eine haltbare Stellung vorhanden ist. Für die beteiligten Führer 
erwächst hierdurch eine schwere und verantwortungsvolle Aufgabe. 
d) Für die Truppe gilt bei der Führung des Kampfes folgendes: 
Die Stärke der Verteidigung liegt in der Unsichtbarkeit 
der Kampfanlagen und ihrer Besatzung, in der Beweglichkeit 
der Truppen sowie in der Vorbereitung und überlegenen 
Kenntnis des Kampfgeländes. Der Kampf wird nicht um oder 
imn einer starren Linie geführt, sondern in einem tiefen Kampf- 
feld, das von den vordersten feindlichen Linien bis weit in 
die eigene Stellung hineinreicht und dem Angreifer um so 
mehr und um so überraschendere Schwierigkeiten bietet, je 
weiter er darin vorwärts kommt. Der Verteidiger ist also nicht 
starr an seinen Platz gebunden; er ist vielmehr berechtigt, in 
diesem Kampffeld beweglich zu kämpfen, also je nach Bedarf 
vorzustoßen oder aus zuweichen. Der Grundsatg aber, daß bei 
Abschluß des Kampfes das gesamte Kampfgelände im Besitz des 
Verteidigers sein soll, soweit nicht besondere Befehle hier- 
über ergangen sind (z. B. bei Vorfeldkämpfen), muß jeder Truppe 
in Fleisch und Blut übergegangen sein. Für das taktische Ver- 
halten, um dem Gefechtszweck am besten zu entsprechen, muß 
dem Führer —auch dem mittleren Führer — ein gewisser Spiel- 
raum bleiben. Dies gilt für alle Waffen. 
Die Führung des Kampfes in diesem Sinne erfordert viel Initiative. Der 
Verteidiger wird dadurch die eigenen Kräfte schonen, dem Angreifer wirksame plan- 
mäßige Beschießung erschweren, ihn zu steter Bereitschaft zwingen, seine Vorbereitungen, 
Bereitstellungen und Verschiebungen stören und ihm große Verluste beibringen. 
B. Höhere Einheiten und Stäbe. 
Armee-Oberkommandos und Generalkommandos. 7. Zur Wahrung der 
Einheitlichkeit ist anzustreben, daß diejenigen Kommandobehörden, denen die 
Vorbereitungen für die Abwehrschlacht und deren Durchführung im großen obliegt, 
d. h. die pe#eresgruppenkommando,s, die A. O. Ks. und die General- 
kommandos, den Befehl über ihre bisherigen Abschnitte behalten und lange in 
ihnen bleiben. Die Zuteilung besonderer Offiziere des Generalstabes, der Artillerie,
	        
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