Full text: Urkunden der Obersten Heeresleitung über ihre Tätigkeit 1916/18

Die Abwehr im Stellungskriege 609 
  
  
10. Hinter den Stellungsdivisionen sind die Eingreifdioisionen bereit- 
zustellen. Sie sind bestimmt, den Stoß des Feindes aufzufangen, falls er die 
Stellungsdivision durchbrechen sollte, und ihn durch sofortigen Gegenstoß aus der 
eigenen Stellung wieder hinauszuwerfen. 
Eine Eingreifdivision wird meist gleichzeitig für mehrere Diodisionsabschnitte 
bestimmt werden müssen; sie ist ganz oder mit Teilen so nahe, d. h. bis in den Bereich 
des feindlichen Fernfeuers, heranzuziehen, daß sie im Bedarfsfalle sofort in den 
Kampf eingreifen kann. 
Anderseits darf das scharfe Heranhalten nicht zu vor- 
zeitigem Verbrauch der Eingreifdivisionen führen. Es ist die 
Kunst der Führung, hier ein richtiges Maß zu halten. 
Die Eingreifdivisionen unterstehen vor dem Kampf dem Generalkommando oder 
dem A. O. K. Werden sie geschlossen oder, wie es meistens der Fall sein wird, in 
kleinen Verbänden eingesetzt, so sind sie dem Kommandeur des Kampfabschnittes 
zu unterstellen (vgl. Ziff. 41). Die Tätigkeit des Kommandeurs der Eingreifdivision 
liegt hauptsächlich in der Ausbildung und rechtzeitigen Bereitstellung. Nur in den 
Fällen, in denen die Division einheitlich zum Gegenstoß vorgeführt wird, oder wenn 
andere persönliche Gründe vorliegen, wird ihm seine Division auch im Kampf unter- 
stellt bleiben. Auch in diesem Fall wird aber der Kommandeur der Stellungsdivision 
meist ohne Rücksicht auf Altersverhältnisse die Leitung des Gefechts in seinem Abschnitt 
behalten, also den einheitlichen Befehl über Stellungsdivision und Eingreifdivision zu 
führen haben. 
Einschieben und Ablösen. 11. Das Einschieben neuer A. O. Ks., 
Genkdos. und Divisionen muß von langer Hand vorbereitet sein, sonst führt 
es leicht zu vorübergehender Schwächung und schnellem Verbrauch der Kräfte. 
Jedes Einschieben und Verschieben der Grenzen höherer Verbände hat außerdem 
umfangreiche Schreibarbeit zur Folge. 
Das taktische Einleben geht verhältnismäßig schnell vor sich, wenn aus- 
reichende Vorbereitungen gemäß Ziffer 2 und 7 getroffen sind. Dagegen bedarf das 
Einspielen der Versorgung mit Kampfgerät, Baustoffen, Verpflegung usw. 
längerer Zeit, bei Genkdos. und A. O. Ks. meist Wochen. In kritischen Kampfzeiten 
ist Umänderung der Befehlsgliederung nicht zweckmäßig. Diese ist, wenn notwendig, 
in der Vorbereitungszeit oder in Kampfpausen vorzunehmen, falls nicht Belassung 
der eingelebten Verbände auf breiterem Raum vorzuziehen ist. 
12. Ablösung während der Schlacht ist stets unerwünscht, da die 
Geländekenntnis ein wesentlicher Vorteil des Verteidigers gegenüber dem Angreifer 
ist; sie ist aber bei nervenerschütternden Eindrücken einer großen Schlacht selbst dann 
nicht zu vermeiden, wenn die Verluste verhältnismäßig niedrig sind. Zu langes 
Hinausschieben der Ablösung namentlich nach langem feindlichem Artilleriefeuer hat 
leicht den Verlust von Truppe und Stellung zur Folge. 
13. Der Einsatz neuer Führer und Truppen soll erst erfolgen, wenn sie über die 
Aufgaben und die Verhältnisse ausreichend und in Ruhe unterrichtet sind. Die Kom- 
mandeure, Generalstabsoffiziere, Adjutanten und die Gasoffiziere müssen möglichst schon 
vor ihren Truppen in den Abschnitten eintreffen. Die Truppen, die in die vordere 
Kampflinie einrücken, müssen ausgeruht und kampfkräftig sein. Dies ist bei voraus- 
schauendem Handeln fast stets durchführbar. überhasteter Einsatz führt un- 
nötige Verluste herbei und belastet daher die Führung. 
14. Neu eingesetzte höhere Stäbe müssen sich zunächst einlernen. Sie dürfen 
den Befehl erst übernehmen, wenn sie die Lage beherrschen. Bei den unterstellten 
Truppen darf kein Zweifel über die Befehlsübernahme sein, sonst entsteht beim Wechsel 
in den ersten Tagen leicht Unsicherheit der Führung und Störung der Versorgung 
der kämpfenden Truppe. 
A. O. Ks. werden in einer Schlacht nur ausnahmsweise abgelöst, während Ab- 
lösung der Genkdos. bei langer Dauer der Schlacht nötig werden kann. 
Urkunden der Obersten Heeresleitung 1916—1918. 39
	        
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