Full text: Urkunden der Obersten Heeresleitung über ihre Tätigkeit 1916/18

Die Abwehr im Stellungskriege 625 
  
  
Kampffronten zur Steigerung der Wirkung sehr oft geboten sein wird. Das vor- 
übergehende Vorziehen der Feldkanonen dicht an die vorderste Infanterie heran zur 
besseren Verwertung der Schußweiten ist von hohem Wert. 
Gasschießen kann auch hier sehr gute Wirkung haben. (Vgl. hierüber die 
besonderen Bestimmungen.) 
54. Durch die in den Ziffern 51 bis 53 erwähnte Kampftätigkeit der Artillerie 
soll der Feind in erster Linie während der Angriffsvorbereitungen und nach abge- 
schlagenem Angriff geschwächt werden. Aber auch während des eigentlichen In- 
fanterieangriffs bieten sich im ganzen Kampffeld besonders lohnende Ziele. Es kann 
ausschlaggebend sein, wenn es gelingt, durch Artilleriebekämpfung, durch Beschießen 
des Stellungswechsels der Artillerie und des Vorziehens der Reserven sowie von Beob- 
achtungsstellen, Ballonen, Befehlsstellen, Nachrichtenverbindungen usw. die gesamte 
Kampfführung des Feindes unmittelbar vor und während seines Infan- 
terieangriffs zu stören. Die feindliche Infanterie wird dadurch unter Umständen 
im schwierigsten Augenblick des Angriffs, also nach gelungenem ersten Einbruch in 
unsere vorbereitete Kampfzone, des Feuerschutzes ihrer Artillerie beraubt, während 
der feindlichen Führung örtlich und zeitlich das richtige Nachziehen der Artillerie und 
der Reserven usw. außerordentlich erschwert werden kann. Genügend starke 
Artillerie muß daher gerade während des feindlichen In- 
fanterieangriffs für diese Zwecke verfügbar bleiben. 
a) Vernichtungsfeuer ist auf jedes lohnende feindliche Infanterieziel, 
das während der Angriffsvorbereitungen, sowie vor, während und nach dem 
Beginn des Sturmes erkannt oder mit Sicherheit an bestimmter 
Stelle anzunehmen ist, zu legen. Es kann seinen Zweck — die Vernichtung 
im besonderen der feindlichen Infanterie, namentlich vor und auch während des 
Angriffs — nur dann erfüllen, wenn es räumlich und zeitlich richtig liegt und mit 
großer Stärke überraschend auf den Feind hereinbricht. Es muß sich im richtigen 
Augenblick gegen diesenigen Punkte und Räume richten, wo der Feind sich gerade 
befindet. Das Vernichtungsfeuer wird oft weit in das feindliche Hintergelände reichen. 
Vorbedingungen für die Wirkung des Vernichtungsfeuers sind eingehende Vor- 
bereitungen und dauernde Beobachtung des Kampfgeländes. 
Vorbereitungen: Die für die feindliche Versammlung und Bereitstellung 
zum Sturm in Betracht kommenden Räume sind im voraus nach der Karte, Flieger- 
bildern, Gefangenenaussagen usw. auszusuchen und auf die Artillerieverbände zu ver- 
tellen. Die Verteilung der Vernichtungsfeuerräume darf nicht starr sein, muß vielmehr 
je nach den Auswertungen der Erkundungen immer wieder verändert werden. Dadurch 
wird dem Feinde auch das Erkennen und Ausnutzen feuerarmer Räume erschwert. 
Gegenseitige Unterstützung der Verbände und Zusammenfassen stärksten Feuers ist 
vorzusehen. Nach diesen Weisungen sind die Schießgrundlagen von allen Batterien 
festzulegen. Zum Vernichtungsfeuer sind alle Kaliber — mit Ausnahme der 
schwersten — heranzuziehen. Je besser die Vorbereitungen getroffen sind, um so 
schneller und wirksamer wird das Vernichtungsfeuer im Bedarfsfall einsetzen. 
Die Beobachtung und ÜUberwachung des Kampfgeländes nach 
Art und Ort etwaiger Bereitstellung zum Angriff erfolgt vorwiegend vom Flugzeug 
und aus Ballonen. Aber auch Erdbeobachtung und Feststellungen aus den vorderen 
Infanterielinien müssen dabei mitwirken. Sobald ein Angriff erwartet wird, ist 
erhöhte Aufmerksamkeit aller Erkundungsorgane nötig. 
Heindliche Ansammlungen sind von der Stelle, die die Beobachtung gemacht hat 
— Flieger, Ballone, die Führer der vordersten Infanterieteile usw. — auf schnellstem 
Wege unter Angabe des Ortes (Punkte auf Karten) dem zuständigen Artillerieführer 
zu melden. Dies kann, falls andere Verbindungen fehlen oder zu langsam arbeiten, 
auch durch Zeichen erfolgen. Die Abgabe dieses Zeichens ist in der Regel Sache des 
Kampftruppenkommandeurs. 
Die Artillerieführer lösen sodann das Feuer der nach den Vorbereitungen dazu
	        
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