Full text: Urkunden der Obersten Heeresleitung über ihre Tätigkeit 1916/18

Die Abwehr im Stellungskriege 627 
  
1. Vor dem Angriff muß das Angriffsziel, die feindliche Artillerie und die Be- 
satzung, durch stärkstes Feuer zermürbt werden. Besonders wichtig ist die Aus- 
schaltung der das Angriffsfeld beherrschenden M. C. Ferner sind Anschlußfronten, die 
den eigenen Angriff flankieren, niederzuhalten. 
2. Während des Angriffs muß das Angriffsziel und die feindliche Sperr- 
artillerie — diese häufig durch Gas — niedergehalten, das Hintergelände für feindliche 
Reserven abgeriegelt werden. 
3. Nach gelungenem Angriff ist noch für längere Zeit starker Munitionseinsatz 
zum Schutz der genommenen Stellung nötig. 
4. Der Einsatz von zu schwacher Artillerie und von zu wenig Munition ist ein 
unverzeihlicher grober Fehler, der entweder viel Blut kostet oder das Unternehmen 
zum Scheitern bringt. Sind ausreichende Artillerie und Munition nicht mit Sicherheit 
und für genügend lange Zeit vorhanden, so wird man meist gut tun, auf Gegen- 
angriffe zu verzichten. 
Kompfführung im allgemeinen und Kräfstebedarf. Vgl. Gefechtsvorschrift 
für die Artillerie, besonders Ziff. 59 ff. 58. Für die gesamte Kampf- 
führung der Artillerie sind Beweglichkeit und rascher 
Entschluß bei Aufstellung, Beobachtung, Verbindung und 
Zielbekämpfung erforderlich. Die Artillerie darf sich nicht auf 
reine Abwehr und Erfüllung der Wünsche anderer Waffen be- 
schränken, sie soll vielmehr in offensivem Geiste diejenigen 
Ziele selbsttätig und vorausschauend bekämpfen, die der In- 
santerie am lästigsten und gefährlichsten sind oder im Laufe des 
Kampfes werden. Enges Zusammenwirken mit den anderen 
Waffen, besonders mit der Infanterie und den Luftstreit- 
kräften, ist hierzu unerläßlich. 
Die Stärke der artilleristischen Abwehr darf nicht vorzugsweise in möglichster 
Verdichtung des Sperr= und Vernichtungsfeuers gesucht werden. Der Kampf ist so 
zu führen, daß bestimmte Ziele erstrebt werden und dem Gegner die Vorhand ge- 
nommen wird (ogl. Ziff. 5 und 6). Die Artillerie soll dem Gegner hohe 
blutige Verluste beibringen und ihm viel Gerät zerstören, 
beides im taktisch richtigen Zusammenhang. Das Schießen 
lediglich als „Antwort“ oder „Vergeltung", weil der Gegner 
schießt, ist fehlerhaft. Überaschung, Zusammenfassung des 
Feuers nach Raum und Zeit und zeitgerechte Regelung des 
Feuers sind oft für die Wirkung ausschlaggebend. 
Je mehr auch der Angreifer — wie der Verteidiger — versuchen wird, alle Ziele 
der Sicht zu entziehen und durch bewegliche Verwendung aller Kräfte 
sich der Wirkung des Artilleriefeuers zu entziehen, desto mehr muß das Schießen 
gegen lohnende Gelegenheitsziele in den Vordergrund treten, desto mehr 
müssen auch Zielerkundung, Einschießen und Wirkungsschießen 
zeitlichin engem Zusammenhang bleiben. Die Artillerie muß anstreben, 
auch verdeckte und bewegliche Ziele rasch zu finden, unmittelbar nach der Feststellung 
zu beschießen und während des Beschusses unter Beobachtung zu halten. 
Im Laufe des Kampfes werden sich in den einzelnen Kampfabschnitten Ver- 
schiedenheiten in den Erfolgen ergeben. Kräfte- und Zielverteilung sind dann ent- 
sprechend zu ändern. Die Wirkung wird — mit oder ohne Stellungswechsel — bald 
da, bald dort zu massieren sein. Darauf beruht wesentlich der Erfolg, da nur so die 
Kampfkraft der Artillerie voll ausgenutzt wird. 
59. Gründliche Vorbereitung der Artillerie auf die wichtigsten voraus- 
sichtlichen Kampfaufgaben ist die Voraussetzung des Erfolgs. Die Artillerie braucht 
Zeit, um sich einzurichten und auf die verschiedenen Möglichkeiten vorzubereiten. Diese 
Zeit muß ihr gegeben werden. Überhasteter Einsatz ist zwecklos. 
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