Denkschrift vom Dezember 1912 57
stören. Es ist von allergrößter Wichtigkeit, daß hier Verstärkungen unserer
Truppen und eine erhöhte Bereitschaft unserer Festungen eintreten.
Die Notwendigkeit einer Steigerung unserer Wehrkraft und einer Ver—
besserung unserer Landesverteidigung glaube ich in den vorstehenden Er—
wägungen nachgewiesen zu haben. Mit unabweisbarem Zwang werden sie
durch die politische Lage gefordert. Gewiß sind es große personelle und peku-
niäre Opfer, die von der Nation bei Erfüllung der hierdurch hervorgerufenen
und im Teil II der Denkschrift im einzelnen näher dargelegten Forderungen
verlangt werden: Sie werden aber immer noch erheblich hinter denjenigen
zurückbleiben, die wir im Falle eines verlorenen Feldzugs zu leisten haben
werden.
Es muß darauf hingewiesen werden, daß unsere Nachbarn ebensolche
Opfer zur Festigung ihrer Wehrkraft gebracht haben und bringen.
Frankreich stellt weit höhere personelle Anforderungen an seine Bevölke-
rung als wir. Während der ersten Marokkospannung wendete es gegen
300 Millionen für die Verstärkung seiner Ostfestungen auf.
Rußland verlangte und erhielt von seiner Volksvertretung im laufenden
Jahre für Heereszwecke eine Milliarde dreihundertachtzig Millionen Mark.
England hat in den letzten drei Jahren sehr große Mittel für die Durch-
führung der Haldaneschen Reformen aufgewendet.
Die Schweiz hat eine neue Heeresorganisation unter erheblichen Kosten
durchgeführt.
Belgien ist im Begriff, ein neues Wehrgesetz einzuführen, durch das
seine Armee auf einen Mobilmachungsstand von 300 000 Mann gebracht
werden soll. Es hat für die Neubefestigung Antwerpens ungeheure Mittel
aufgebracht.
Österreich ist unter dem Druck der politischen Spannung genötigt ge-
wesen, sehr hohe Kredite für die nur allzu lange versäumte Ausgestaltung
seines Heeres anzufordern.
Auch Deutschland wird Opfer bringen müssen. Das Programm, das
für die notwendigsten Forderungen im Teil II der Denkschrift aufgestellt ist,
muß mit aller Energie bald durchgeführt werden, damit Deutschland auch
in der Zukunft, auf die eigene Kraft vertrauend, der politischen Leitung des
Landes einen Rückhalt geben kann, der stark genug ist, um allen Möglich-
keiten gewachsen zu sein.
II. Teil. A. Heeresverstärkung.
Menschenmaterial steht in hinreichender Menge für eine Heeresverstär-
kung zur Verfügung.
Bestimmte Angaben über die Zahl der vorhandenen, bisher nicht zur
Einstellung gelangenden Tauglichen können wegen Mangel sicheren Ma-