Full text: Urkunden der Obersten Heeresleitung über ihre Tätigkeit 1916/18

Der Angriff im Stellungskriege 651 
  
  
Gleich hoch sind jedoch die Rücksichten auf die moralische Wirkung zu 
bewerten. Sie können dazu führen, gegen bestimmte Punkte — meist gegen die 
Einbruchspunkte — das Feuer dichter zusammen zulegen und vor allem 
schwere Kaliber einzusetzen, auch wenn die Stärke des Ausbaus und der Be- 
satzung hierzu keine Veranlassung gibt. 
Besonders stark ist die moralische Wirkung der Minenwerfer. 
Die Rücksichten auf moralische Wirkung werden auch stets zu einer Bevor- 
zugung flankierenden Feuers veranlassen. 
41. Die Beschießung der Befehls= und Beobachtungsstellen, 
rückwärtigen Bahnanlagen und Verbindungen, Bereit- 
stellungsräume, Munitionsdepots und Fesselballone (SZiffer 36c) 
muß sorgfältig durchdacht sein. Eine wesentliche Störung der gesamten Kampfführung 
des Feindes (Befehlsübermittelung, Vorschieben von Reserven usw.) kann dadurch ver- 
ursacht werden. Dieses Feuer darf nicht starr sein, sonst findet der Gegner noch 
während des Kampfes die feuerarmen Räume und Zeiten heraus. Überwachungs- 
batterien zur Bekämpfung von Augenblickszielen sind bereitzuhalten. Gasmunition 
ist besonders wirksam. 
42. Vorbedingung für das Gelingen des ganzen Schießens und damit des 
Angriffs ist ein genaues Einschießen aller, insbesondere der am Sturmreif- 
schießen beteiligten Batterien. Es ist zu erreichen und muß erreicht werden, daß das 
Artilleriefeuer mit der Sicherheit eines Uhrwerks abläuft. 
Jede Batterie schießt sich auf jedes ihrer Ziele ein, auch auf die beim Vorver- 
legen des Feuers ihr zufallenden. Am besten wird dies durch einen Sonderbefehl 
geregelt, der das Einschießen zeitlich und räumlich auf die Batterien verteilt, so daß 
gegenseitige Störungen ausgeschlossen sind. 
Das Einschießen der Minenwerfer erfolgt zweckmäßig erst am Angriffstage, da 
sie sich durch ihren Abschuß sonst vorzeitig verraten und der Vernichtung aussetzen, 
auch ihr massenhaftes Auftreten dem Gegner die Angriffsabsichten enthüllt. Das Ein- 
schießen ist nach Zeit und Zielteil genau mit der Artillerie zu regeln. 
Zum Einschießen sind alle Mittel der Beobachtung aufs sorgfältigste auszunutzen 
Nachprüfung der Lage der Schüsse unter Berücksichtigung der Tageseinflüsse unmittel- 
bar vor dem Wirkungsschießen ist erwünscht. 
Das Einschießen ist an Kampffronten leicht Uunauffällig zu bewerkstelligen. 
An sonst ruhigen Fronten kann versucht werden, es auf längere Zeit zu verteilen und 
als scheinbares Störungsfeuer auszuführen. Stehen die eigenen Batterien dazu zu 
offen und ist ihre Zahl zu groß, so muß das Einschießen auf möglichst kurze Zeit 
zusammengedrängt werden, um zu vermeiden, daß der Gegner den bevorstehenden An- 
griff vorzeitig erkennt. Das vorherige Einschießen der Minenwerfer kann oft fast 
völlig wegfallen. Sollte der Gegner auch bei diesem beschleunigten Verfahren den be- 
absichtigten Angriff erkennen, so ist dies im Vergleich zu einem mangelhaften Ein- 
schießen das kleinere Ubel. Eine Irreführung des Gegners durch Einschießen mit 
Fliegern und Funkern an anderer Stelle muß immer versucht werden (ogl. Ziff. 7). 
43. Die Ausführung des Sturmreifschießens erfolgt im all. 
gemeinen bei Tage. Auf volle Wirkung nächtlichen Zerstörungsschießens ist keines- 
falls zu rechnen. 
Richtiges Schießen ist wertvoller als zu schnelles Schießen 
(ogl. jedoch Ziff. 44). 
Die beste Wirkung ergibt im allgemeinen ein ruhiges, nach Möglichkeit beob- 
achtetes Feuer. Das Einlegen höchster Feuersteigerung (Trommel- 
feuer) von Zeit zu Zeit ist aber notwendig, um den Gegner zu 
täuschen, den moralischen Eindruck zu steigern und die Wir- 
kung zu beschleunigen. Unter allen Umständen muß aber Überanstrengung 
von Gerät und Mannschaften vermieden werden. Berücksichtigung der sich während 
des Schießens ändernden Tageseinflüsse ist erforderlich.
	        
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