652 XXIV. Militärische Schriften
Feuerpausen dienen zur Täuschung des Gegners über den Zeitpunkt des
Sturmes, zur Erholung von eigenen Mannschaften und Gerät und geben der Beob-
achtung Gelegenheit, die bisherige Wirkung des Schießens zu prüfen.
Schlagartiges Wiedereinsetzen des Feuers kann dem Gegner emp-
findliche Verluste zufügen.
Das Vorverlegen des Feuers in derselben Weise wie später beim
wirklichen Angriff ist häufig ein gutes Mittel, um dem Gegner den Augenblick des
wirklichen Angriffes zu verschleiern.
Jedenfalls darf nichts in dem Verhalten der Artillerie
den Gegner auf den Augenblick des Sturmes aufmerksam
machen, da eine auch nur kurze Verzögerung im Einsetzen des feindlichen Sperr-
feuers ein großer Gewinn ist. Allgemein wird unregelmäßiger Wechsel
des Feuers nach Zeit, Raum und Feuergeschwindigkeit dieser
Absicht am besten dienen. Der Wechsel ist durch den Feuerbefehl zu regeln.
44. Soweit es unter Berücksichtigung der in Ziffer 43 angegebenen Gesichtspunkte
irgend angängig ist, ist die gesamte nach Ziffer 36 àac als Feuervorbereitung erstrebte
Wirkung zeitlich und räumlich zusammenzudrängen, um Über-
raschung und moralische Wirkung zu steigern.
Unter Umständen sind jedoch wichtige Einzelziele schon vor Beginn des eigent-
lichen Vorbereitungsfeuers im Zerstörungsfeuer zu zerstören. Die artilleristische Vor-
bereitung kann sich dann ausnahmsweise auf mehrere Tage ausdehnen. Das
Sturmreifschießen selbst wird von wenigen Minuten höchstens bis zur Dauer von
einigen Stunden verlängert werden dürfen. Mehrtägiges Trommelfeuer ist nicht an-
zuwenden.
45. Die Feuerwalze (98iff. 36 d), die dem Angriff vorangeht, wird mit
möglichst zahlreichen Batterien gebildet, damit sie in sich die nötige Tiefe hat. Inwie-
weit Blaukreuzmunition hierbei verwendet werden kann, hängt von örtlichen Ver-
hältnissen ab.
Damit die Infanterie beim Antreten bis fast in das Artilleriefeuer hineinlaufen
kann, empfiehlt es sich, zur Verminderung der Splittergefahr die letzten Schüsse des
Vorbereitungsfeuers mit Verzögerung zu schießen (soweit m. V. vorhanden ist) oder
als Abschluß einige blinde Minen abzufeuern. Die Truppe ist in diesem Vorgehen
hinter der Feuerwalze auszubilden.
Das Vorverlegen des Feuers erfolgt in Sprüngen, die durch den An-
griffsbefehl nach Zeit und Tiefe geregelt werden. Die Tiefe hängt vom Gelände,
der Bodenbeschaffenheit und der voraussichtlichen Angriffsdauer ab. Die Geschwindig-
keit der Feuerwalze ist so zu bemessen, daß die Angriffsbewegung der Infanterie un-
aufhaltsam im Fluß bleibt.
Um bei tiefen Angriffen das Vorgehen der Infanterie mit dem Vorschreiten der
Feuerwalze nach größeren Zwischenräumen (1—2 km) wieder in Übereinstimmung zu
bringen, kann das Festsetzen bestimmter Linien angezeigt sein, an denen die Feuer-
walze zunächst halt macht. Das weitere Vorverlegen des Feuers beginnt dann erst,
nachdem die Infanterie es durch verabredete Zeichen angefordert hat. Das Vor-
gehen der Infanterie darf durch ein derartiges Verfahren
keinesfalls aufgehalten werden.
Die Artillerie muß auch in der Lage sein, bei vorübergehenden Rückschlägen
durch Zurückziehen des Feuers die Infanterie zu schützen.
Sollen Geländeteile (Stützpunkte, Ortschaften, Waldstücke) nicht frontal ange-
griffen, sondern nach in den Nachbarabschnitten gelungenem Durchbruch umfaßt
werden, so bleibt während des Sturmes auf die Nachbarabschnitte das Feuer auf
ihnen, namentlich auf ihren Rändern, liegen und wird nach genau bestimmten Zeiten
oder verabredeten Zeichen rückwärts oder seitwärts herausgezogen. Unter Umständen
wird vor dem Herausziehen des Feuers ein Zusammenfassen auf das Innere des zu
stürmenden Geländeteils notwendig sein.