Full text: Urkunden der Obersten Heeresleitung über ihre Tätigkeit 1916/18

684 XXIV. Militärische Schriften 
  
Richtige Verwendung der Gasmunition setzt Kenntnis der Eigenart der Gas- 
stoffe voraus (vgl. Vorschrift Gasschießen der Artillerie). Hier wird noch viel gefehlt. 
Insbesondere wird nicht immer an die Notwendigkeit genügender Gasdichte gedacht. 
Diese ist abhängig von der Streuung der Geschütze, der Zahl der Geschosse, der 
Zeitdauer der Beschießung, den Witterungsverhältnissen, dem Auftreffgelände. 
Für die einzelnen Gasarten gilt folgendes: 
a) Grünkreuz wirkt schnell und schon bei wenigen Atemzügen ohne Maske tödlich. 
Anderseits schützen die Masken gegen diesen Kampfstoff am sichersten. 
Wo man einen nicht durch Maske geschützten Gegner überraschen kann, werden 
daher Gasüberfälle in jeder Kampflage nützlich sein. 
Außerdem kommen Schießen mit großen Gasmengen (Schwadenschießen) gegen 
bestimmte Geländeteile (Batterie- und Infanterie-Stellungen) in Frage. Sie haben 
im allgemeinen nur unmittelbar vor großen Kampfhandlungen (Angriff oder Ver- 
teidigung) Zweck. Da der Gegner auch mit Maske sich nicht stundenlang in dem Gas 
aufhalten kann, räumt er erfahrungsgemäß meist die betroffene Stelle vorübergehend. 
So hat sich Grünkreuz bisher bewährt, um feindliche Artillerie bei Angriffen vorüber- 
gehend lahmzulegen. Dauernde Ausschaltung oder Erzwingung der endgültigen 
Räumung des beschossenen Geländes ist nicht zu erwarten. Da die Wirkung von 
Grünkreuz nur kurze Zeit anhält, kann das Gelände etwa zwei Stunden nach dem 
Schießen von unseren Truppen durchschritten werden. 
Grünkreuz wird in Zukunft in reinen Grünkreuzgeschossen und wahrscheinlich auch 
in Grünkreuzbrisanzgeschossen vorhanden sein. 
b) Ahnlich wie Grünkreuz ist Gelbkreuz 1, jedoch diesem in mancher Beziehung 
überlegen. Gelb 1 wird in Zukunft, um Verwechslung mit Gelbkreuz zu vermeiden, 
Grünkreuz III genannt werden. 
c) Blaukreuz. Der Blaukreuzkampfstoff wirkt außerordentlich schnell, fast augen- 
blicklich, setzt aber meist nur für kurze Zeit außer Gefecht. Er durchdringt bei ge- 
nügender Dichte die französische Maske gut, die englische weniger, und zwingt dann 
die Gegner, die Maske herunterzureißen. Aus diesem Grunde empfiehlt es sich, 
Blaukreuz unter Grünkreuz zu mischen. 
Bei nicht ausreichender Dichte zwingt Blaukreuz den Gegner wenigstens unter 
die Maske und lähmt dadurch seine Kampftätigkeit. 
Die Gaswirkung zieht mit der Gas= bzw. Detonationswolke ab und verflüchtigt 
sich schnell. Infolgedessen kann es auch da verwendet werden, wo unsere Infanterie 
sich verhältnismäßig dichtauf befindet. Einzelne Schüsse wird man bei einiger Vorsicht 
unbedenklich auch beim Kampf der Begleitgeschütze gegen Maschinengewehr-Nester an- 
wenden können, selbst wenn unsere Infanterie schon sehr nahe heran ist. 
Blaukreuz wird nur in Gasbrisanzgeschossen verwendet. Das Geschoß hat er- 
hebliche Brisanzwirkung. 
d) Gelbkreuz (nicht zu verwechseln mit Gelb 1, siehe unter b) belästigt zunächst 
den Gegner fast gar nicht. Die materielle Wirkung tritt erst nach Stunden oder Tagen 
und allmählich ein. Die Maske gewährt Schutz. Spritzer durchdringen jedoch die 
Kleidung. Die Nachwirkung des Kampfstoffes hält bei trockenem Wetter erhebliche 
Zeit an, namentlich in Ortschaften und Wäldern. 
Erfahrungsgemäß räumt der Gegner meist mit Gelbkreuz beschossene Stellen. 
Die erbeuteten feindlichen Befehle beweisen, daß der Gegner gerade diesen Stoff 
besonders fürchtet. 
Gelände, das wir selbst in Besitz nehmen wollen, darf, je nach der Witterung, in 
den letzten 2 bis 4 Tagen nicht mit Gelbkreuz verseucht werden. Unter Umständen 
können dann noch ganz leichte Vergiftungen bei längerem Verweilen in dem beschossenen 
Raume auftreten. Nach 8 Tagen ist jede Nachwirkung vorbei, außer an ganz besonders 
gegen den Zutritt frischer Luft geschützten Stellen, z. B. in verschütteten Kellern oder 
Höhlen usw.
	        
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