Full text: Urkunden der Obersten Heeresleitung über ihre Tätigkeit 1916/18

Gefechtsvorschrift für die Artillerie 687 
  
Voraussetzung für die erfolgreiche Leitung des Artilleriegefechts ist die richtige 
Beurteilung der Leistungsfähigkeit der Geschütze. 
Die moralische Wirkung der Artillerie ist groß; sie wird gesteigert durch räum- 
liches und zeitliches Zusammenfassen des Feuers. Sie kann so nervenzerrüttend sein 
und Entschlußkraft und Widerstandsfähigkeit lähmen, daß sie für sich allein den 
Ausschlag gibt. Die moralische Wirkung ist daher bei jedem Einsatz von Artillerie in 
Rechnung zu stellen. 
Die materielle Wirkung ist vom Ort und Aufstellung des Zieles, von der 
Geschütz= und Geschoßart, sowie von der Treffgenauligkeit und der Masse der eingesetzten 
Munition abhängig. 
Jedes Geschütz und Geschoßart hat naturgemäß eine andere materielle Splitter- 
und Gaswirkung, deren Kenntnis von ausschlaggebender Bedeutung ist. 
Eliederung und Führung der Artillerie. Der Schwerpunkt liegt im Rahmen 
der Division. Die höheren Kommandobehörden regeln das gefechtsmäßige und ein- 
heitliche Zusammenwirken der Korps und Divisionen im Artilleriekampf, die Kräfte- 
bemessung durch besondere Ausstattung mit Heeresartillerie und Munition und endlich 
in besonderen Fällen auch das Zusammenwirken der Massen auf breiten Fronten. 
Sie verfügen über besondere artilleristische Amter, die aber keine Kommandogewalt 
besitzen. Diese ruht allein in der Kommandobehörde. 
Der Divisionskommandeur gibt der ihm unterstellten Artillerie den Gefechts- 
befehl und in ihm Weisungen für ihre Aufstellung und ihre Aufgaben, sowie für die 
Feuereröffnung. Er überwacht ihre Tätigkeit während des Kampfes, weist ihr von 
Fall zu Fall die Gefechtsaufgaben zu. Er bestimmt die Kraft des Artilleriefeuers 
und den Munitionsverbrauch. 
Der Divisionskommandeur regelt im einzelnen das gegenseitige Zusammen- 
wirken der Waffen, besonders der Artillerie mit Infanterie, Minenwerfern und Luft- 
streitkräften. 
Der Artilleriekommandeur regelt und überwacht entsprechend diesen Befehlen 
die einheitliche Erkundung und Fernaufklärung, das Instellunggehen und die Feuer- 
tätigkeit der Artillerie, sowie das Zusammenwirken der Artillerie mit den anderen 
Waffen. 
Er sorgt ferner für Munitionszuführung und Geräteersatz sowie für die all- 
gemeinen Bedürfnisse der ihm unterstellten Verbände. 
Der Artilleriekommandeur gibt seinerseits Weisungen an die Artillerieführer. 
Auch für die Artillerieführer ist vornehmste Führereigenschaft Verantwortungs- 
freudigkeit, Handeln im Rahmen des Ganzen. Ein Unterlassen und ein Versäumnis 
belasten aber auch hier schwerer als ein Fehlgreifen in der Wahl der Mittel. 
Zlelauftklãärung und Beobachtung, Rachrichtenmittel, Verbindung, Karten. 
Zusammenarbeit aller Waffen und Führer, gegenseitiges sich Kennen und Ver- 
stehen sind die Grundlage. 
Rechtzeitige und gründliche Zielaufklärung, rasche Ausnützung ihrer Ergebnisse, 
gute Schußbeobachtung sind Vorbedingungen des Erfolges. 
Beobachtungsstellen, Flieger, Fesselballone, Artilleriepatrouillen, sowie im 
Stellungskriege Artillerie- und Schallmeßtrupps, auch Richtungshörer sind die Mittel. 
Einrichtung eines guten Beobachtungsnetzes für Erdbeobachtung bleibt immer die 
Voraussetzung der Kampftätigkeit der Artillerie. Zur Aufrechterhaltung der Ver- 
bindung aus der vordersten Kampflinie nach rückwärts darf kein Mittel unausgenutzt 
bleiben. Es stehen an technischen Verbindungsmitteln zur Verfügung: Drahtverbin- 
dungen, Signalverbindungen, Funkerstationen, Brieftauben, Meldeketten, Reiter, Rad- 
fahrer, Läufer, Leuchtsignale, Schallsignale, Nachrichtengeschosse. 
Gefechtsentwicklung. Die Masse der Artillerie muß frühzeitig, im Stellungskrieg 
ständig auf dem Gefechtsfeld feuerbereit sein. 
Ihrer Bereithaltung geht die Erkundung der Beobachtungsstellen voraus. Sie sollen 
einen möglichst vollständigen Einblick in das Gelände vor den eigenen Batteriestellun-
	        
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