Gefechtsvorschrift für die Artillerie 697
schenswert auch jede Beschleunigung ist, um dem Gegner zuvorzukommen, so wenig
darf vergessen werden, daß Überhaflung und unsachgemäße Verkürzung der Vor-
bereitung Mihversländnisse hervorrufen, unnölige Verluste kosten und das ganze
Unkernehmen zum Scheitern bringen können.
277. Durch jede mögliche Maßnahme muß angestrebt werden, die Vorbereilungen
der seindlichen Erkundung zu entziehen, um den Gegner zu überraschen.
Um zu verhindern, daß der Gegner zu früh die Angriffsfront erkennt, sind be-
sondere Maßnahmen an anderen Fronten zu treffen, z. B. Steigerung der Artillerie-
tätigkeit, Vortäuschen von Bewegungen und Bauten und ährliches.
278. Trotz aller Vorsicht wird eine völlige Überraschung des Gegners nur bei
kleineren Unternehmungen gelingen. Je umfangreicher die Vorbereitungen sind, desto
wahrscheinlicher wird der Gegner bedrohte Frontstellen erkennen und Abwehrmaß-
nahmen treffen. Sie werden um so unvollkommener sein, je schneller die Vorbereitun=
gen und der Angriff durchgeführt werden.
Daraus folgt, daß die Vorbereilungen sich auf das Rotwendigste beschränken und
daß der Angriff und die Ausnuhung kraflvoll geführt und schnell hintereinander folgen
müssen; der Gegner darf nicht Zeit finden, so starke Kräfte heranzuführen, daß seine
Stellungen in ihrer ganzen Tiefe planmäßig verteidigt werden können.
279. Sobald der Entschluß zum Angriff gefaßk ist, sind die Stäbe der für den
Angriff bestimmten Artillerie heranzuziehen.
Sie sollen sich in den Abschnitten, in denen sie verwendet werden sollen, unter
Leitung der dort schon tätigen Artillerieführer und an der Hand des Plan--, Skizzen-
und Lichtbildmaterials selbst in das Gelände hineinsehen, gründlichst über die Einzel-
heiten der feindlichen Infanterie= und Artilleriestellungen sowie deren Feuertätigkeit
unterrichten und die bisherigen Erkundungen nachprüfen und ergänzen. Sorgfältiges
Studium der Lichtbilder, persönliche Erkundung, auch aus der vordersten Infanterie-
linie und aus der Luft und persönliche Besprechung mit den Infanterie- und Pionier=
führern sowie mit den Luftbeobachtern sind für alle Artillerieführer unentbehrlich. Die
Erkundung von der Erde und aus der Luft und die Festlegung auf Skizzen muß über
die erste Stellung hinaus weit in den Feind hinein ausgedehnt werden.
Die Unterlassung dieser artilleristischen Erkundung, die längere Zeit in Anspruch
nehmen wird, würde den Erfolg aufs ernsteste gefährden. Die Erkundungsergebnisse
sind von den höheren Dienststellen nachzuprüfen.
280. Die Sielaufklärung muß unauffällig durchgeführt werden, damit die Auf-
merksamkeit des Feindes nicht erregt wird. Eine besonders auffallende Fliegertätigkeit
und Ballonerkundung ist zu vermeiden. Andererseits muß für Sicherung der eigenen
und Störung der feindlichen Luftbeobachtung durch Flieger und Flaks in ausreichen-
dem Maße gesorgt werden.
Auch nach dem Beginn des Angriffs ist die Erkundung und Zielaufklärung mit
allen Mitteln fortzusetzen, da der Gegner nach Erkennen unserer Angriffsabsichten Ver-
änderungen und Verstärkungen in seiner Stellung sowie Neuanlagen vornehmen wird,
deren rechtzeitige Feststellung und Bekämpfung für das Gelingen des Sturmes von
höchster Bedeutung sind.
Über Nachrichtenaustausch mit der Infanterie siehe Ziff. 211.
281. Ebenso wie über die feindliche Stellung, werden die eingetroffenen Artil-
lerieführer über die eigene Stellung unterrichtet.
282. Sobald über den Einsatz der Artillerie Klarheit gewonnen ist, wird die
Fertigstellung des Ausbaues der Feuersiellung, Beobachkungs- und Befehlssiellen.
Nachrichten- und Befehlsverbindungen, Munitionslager, Anmarschwege und Gleisver-
bindungen durchgeführt. Die Ausnutzung bereits bestehender Anlagen wird Beschleu-
nigung ermöglichen. Unter Umständen werden Mannschaften der zum Einsatz be-
stimmten Batterien zum Bau herangezogen. Die Geschütze bleiben dann zunächst in
der Unterkunft.
283. Je größer die für den Kampf eingesetzte Artilleriemasse ist, desto wichtiger