Full text: Urkunden der Obersten Heeresleitung über ihre Tätigkeit 1916/18

78 II. Hilfsdienstgesetz, Ersatz- und Arbeiterfragen 
  
  
Chef des Generalstabes des Feldheeres. Gr. H. Qu., den 23. 10. 1916. 
II Nr. 37 768 op. 
An den Reichskanzler. 
Auf Euer Exzellenz Schreiben vom 30. 9. 1916 9512 K. J. habe ich 
mich beehrt, am 7. 10. unter II/le 36 529 op. und am 14. 10. unter 
37 053 op. eine vorläufige Antwort zu übersenden. 
Im nachstehenden erlaube ich mir eingehender auf Euer Exzellenz 
Ausführungen einzugehen: 
I. Erweiterung der Wehrpflicht für die männliche 
Bevölkerung. Euer Exzellenz lehnen die Aufhebung der Freizügig- 
keit, eine Erweiterung des Kriegsleistungsgesetzes, die Schließung von Hoch- 
schulen und den Arbeitszwang für Kriegsbeschädigte ab. Es gibt meines 
Erachtens dann nur noch ein en Weg, um, neben dem Bedarf des Heeres 
an Ersatz, für die männliche Bevölkerung den steigenden Bedarf der heimi- 
schen Kriegswirtschaft an Arbeitern auf die Dauer zu decken. Das Mittel 
sehe ich in einer wesentlichen Erweiterung der Wehrpflicht 
nach Brauchbarkeit und Dauer. Sie wird sich nach Brauchbarkeit 
auf alle arbeitsverwendungsfähigen") Männer, nach Dauer auf die Alters- 
klassen vom 15. bis etwa 60. Lebensjahre zu erstrecken haben. Eine Er- 
weiterung nur bis zum 50. Lebensjahre würde unter solchen Bedingungen 
keinesfalls mehr genügen. Vielmehr ist nur bei wesentlich größerer Aus- 
dehnung zu erreichen, daß die gesamte in Betracht kommende männliche 
Bevölkerung tatsächlich in den Dienst des Staates entweder im Heer 
oder, auf dem Wege der Beurlaubung und Kommandierung, in der Heimat 
gestellt wird. Es wird dabei natürlich nicht daran zu denken sein, die älte- 
ren dieser Jahrgänge unterschiedslos in die Front oder an die Drehbank zu 
stellen, vielmehr wird es Aufgabe der den Ersatz und die Arbeiterverwen- 
dung regelnden Stelle sein, jeden dort zu verwenden, wo er dem Staat 
am meisten nützt. 
Ich kann mich der Ansicht, daß eine derartige Erweiterung der Wehr- 
pflicht für Heer und Kriegswirtschaft keine erheblichen Ergebnisse zeitigen 
würde, nicht anschließen, man muß nur die Rücksicht auf die Folgen für die 
spätere Friedenswirtschaft weit hinter die Forderungen der Kriegswirtschaft 
zurückstellen. Industric und Gewerbe, welche der Kriegswirtschaft nicht 
dienen, müssen meines Erachtens in weitestgehendem Maße eingeschränkt 
und, sobald die Stunde es fordert, sogar stillgelegt werden. Es wird sich 
auch nach dem Kriege der Übergang zur Friedenswirtschaft nur so allmählich 
vollziehen, daß aus Einschränkungen und Stillegungen nicht die schweren 
Folgen, wie sie vielfach angenommen werden, eintreten werden. 
*) Darunter verstehe ich alles, was geistig und körperlich zu irgendwelcher Arbeit 
in der Kriegswirtschaft fähig ist. Der Verfasser.
	        
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