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einen Thron errichten und ertheilte dort Audienz, und wenn er über
die Straße schritt, trug er einen scharlachrothen Mantel mit einer langen
Schleppe, die ihm von Edelknaben nachgetragen werden mußte. Er
erlaubte seinen Anhängern, so viel Weiber zu nehmen, als sie nur
wollten; er selbst brachte es bis auf vierzehn. Wer seinen Anordnun-
gen nicht folgte und an seinen Aussprüchen zweifelte, den ließ er tödten.
Als in Folge der Hungersnoth, welche in der Stadt entstand, eine
seiner Frauen zu ihm sagte: „Ich begreife nicht, warum Gott so viele
Menschen Hungers sterben lassen will; laß mich von hinnen ziehen, ich
kann den Jammer nicht mehr sehen,“ da zuckte der Schneider-König
grimmig das Schwert und schlug ihr das Haupt ab auf offnem Markt,
damit alle Kleinmüthigen vor seinem Gericht zittern sollten; dann faßte
er seine anderen Frauen und tanzte mit ihnen singend, wie wahnsinnig,
den Reigen um die blutige Leiche, und gebot allem Volk desgleichen:
„Frohlockt, ihr Zaghaften, singet und tanzt!“ Endlich schickte er 28
Apostel aus in die nächsten Städte. Das Reich Christi, wie er sagte,
sollte nun aufgerichtet werden. Aber schon schlug die Stunde der Ver-
geltung. Der Bischof schloß die Stadt immer enger ein, und die
Hungersnoth nahm so überhand, daß Viele verhungerten, Andere wie
Schatten umherwankten. Und doch durfte Keiner sich unterstehen, von
Uebergabe zu sprechen. Da flohen zwei Bürger aus der Stadt und
zeigten dem Bischofe einen geheimen Eingang. In einer stürmischen
Nacht drangen 400 feindliche Krieger durch den Graben auf den Wall.
und nun begann ein furchtbares Gemetzel, das bis in den hellen Tag
hineln fortdauerte. Wer fliehen konnte, der floh oder versteckte sich in
Kellern, wüsten Klöstern und andern Schlupfwinkeln. Der König ver-
kroch sich auf den höchsten Boden des Aegidii-Thurmes; er wurde aber
von einem Knaben verrathen und in Fesseln geschlagen. Nicht besser
erging es seinen beiden Ministern, Krechting und Knipperdolling. Der
Prediger Rottmann aber hatte sein bestes Gewand angelegt und stürzte
sich, um den Bischöflichen nicht lebendig in die Hände zu fallen, in
den dichtesten Haufen der Feinde und focht bis zum letzten Athemzuge
wie ein Held. Bockhold, Krechting und Knipperdolling wurden in eiserne
Käfige gesperrt, wie seltene Thiere im Lande herumgeführt, dann aber
in Münster grausam hingerichtet. Ihre Leichen wurden in eisernen
Körben auf dem Lambertusthurm ausgehängt, zum schauderhaften
Wahrzeichen, bis zu welchem Wahnsinn religiöse Schwärmerei den
Menschen bringen kann.