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1609 starb der Herzog Johann Wilhelm. Mit ihm erlosch der Manns-
stamm dieses Herrschergeschlechts. Viele Blicke richteten sich nun auf
dieses schöne Erbe, und ein halbes Dutzend Fürsten traten förmlich als
Bewerber um dasselbe auf; ein unbestreitbares Recht darauf hatte aber
nur der Kurfürst Johann Sigismund von Brandenburg. Schon im
Jahre 1546 hatte der damalige Herzog mit Genehmigung des Kaisers
Karl V. die Anordnung getroffen, daß seine Länder beim Mangel
mämnlicher Erben ungetheilt auf die älteste Tochter und deren Erben
übergehen sollten. Die Nachfolger Karl V. hatten dieses Privilegium
bestätigt. Da nun der Herzog Johann Wilhelm bei seinem Absterben
keine Kinder hinterließb, so ging das Erbrecht auf seine älteste Schwester
Maria Eleonore über. Diese hatte sich mit dem Herzog von Preußen
vermählt, und bei ihrer Vermählung war ihr ausdrücklich die Erbfolge
zugesichert worden, wohingegen ihre drei Schwestern auf die Erbschaft
Verzicht geleistet hatten. Die Herzogin von Preußen war nun zwar
kurz vor ihrem Bruder gestorben, aber von Rechts wegen konnten doch
ihre Erbansprüche auf Niemand anders als ihre beiden einzigen Töch-
ter übergehen, deren älteste mit dem Kurfürsten von Brandenburg ver-
mählt war. Dieser war also der rechtmäßige Erbe. Sein Hauptmit-
bewerber war der Pfalzgraf Wolfgang von Neuburg, der Sohn der
zweiten Schwester des verstorbenen Herzogs. Er erklärte: Da Maria
Eleonore vor ihrem Bruder gestorben sei, so sei seine noch lebende
Mutter die älteste Schwester, mithin könnte auch nur diese und er
durch sie der einzige rechtmäßige Erbe sein.
Der Kurfürst nahm ohne Zögern einen Theil des Landes in Be-
sitz, der Pfalzgraf that desgleichen. Der deutsche Kaiser Rudolph II.,
oder vielmehr seine Räthe und die Jesuiten mischten sich in den Streit
und setzten Alles in Bewegung, um das Erbe an einen katholischen
Fürsten zu bringen. Da gab der Landgraf von Hessen den streitenden
Parteien den Rath, die Erbschaft unter sich zu theilen, sonst könnten sie
leicht Beide leer ausgehen. Das half, und im Jahre 1609 kam zu
Dortmund zwischen dem Kurfürsten und dem Pfalzgrafen ein Vertrag
zu Stande. Darin hieß es, sie wollten das Land gemeinschaftlich re-
gieren und sich später auf gütlichem Wege verständigen. Kaiser Ru-
dolph versagte aber diesem Vertrage seine Zustimmung und erklärte
das Herzogthum für ein erledigtes Reichslehen, worüber bloß er zu
verfügen das Recht habe. Auch ließ er sofort einen Tbeil des Landes
mit seinem Kriegsvolke besetzen und die Festung Jülich wegnehmen.
Es gelang aber dem Kurfürsten und dem Pfalzgrafen, in Verbindung
mit den protestantischen Holländern, die Kaiserlichen wieder aus dem