109
über Wollgast nach Schweden geführt wurde, reiste der Prinz nach
dieser Stadt, um die Ueberreste des Helden noch einmal zu sehen. Sie
sollen einen tiefen Eindruck auf seine Seele gemacht haben. Gegen
Schwarzenberg, den ersten Minister seines Vaters, empfand der Prinz
schon früh eine Abneigung, die er aber am Hofe seines Vaters auf
alle Weise zu verbergen suchen mußte. In seinem 11. Jahre ging
er in Begleitung Leuchtmar's nach Holland, um auf der damals be-
rühmten Hochschule zu Leyden seinen Geist weiter auszubilden. Die Pest
erlaubte ihm aber nur einen kurzen Aufenthalt daselbst. Er lebte darauf
in Arnheim und im Haag. Hier gewann ihn der berühmte Stadt-
halter der Niederlande, Friedrich Heinrich von Oranien, sehr lieb und
wurde sein Lehrer in der Kriegskunst. Der Aufenthalt in den Nieder=
landen war überhaupt für den Prinzen in jeder Beziehung eine Quelle
nützlicher Beobachtungen und Erfahrungen. Kein Land Europa's gab
damals ein so schönes und anregendes Bild menschlichen Fleißes und
lebendiger Betriebsamkeit, als Holland. Unter rüstigen Händen ent-
standen überall blühende Fluren; in den Häfen begegneten sich die
Handelsschiffe aller Nationen; der rastlose Gewerbfleiß der Bürger er-
warb große Reichthümer. Diese Wahrnehmung war in Friedrich
Wilhelms Seele ein Samenkorn für die Zukunft, das auf fruchtbaren
Boden fiel und später zum Heile des Vaterlandes herrliche Früchte
trug. Doch mitten in diesem reichen Leben fehlte es auch nicht an
mannigfachen Versuchungen zu Ueppigkeit und Ausschweifungen aller
Art. Man suchte auch den Prinzen auf den Weg des Lasters zu ziehen.
Aber siegreich entfloh er den Lockungen der Sünde, indem er ausrief:
„Ich bin's meinen Eltern, meiner Ehre, und meinem Vaterlande schul-
dig! Eiligst verließ er den Haag und begab sich in das Kriegslager
des Prinzen von Oranien, der eben die Spanier in Breda belagerte.
Der große Oranier klopfte ihm mit den Worten freundlich auf die
Schulter: „Eine solche Flucht ist heldenmüthiger, als wenn ich Breda
eroberte. Vetter, ihr habt das gethan, ihr werdet mehr thun. Wer
sich selbst besiegen kann, der ist der größten Unternehmung fähig.“ —
Gern hätte Friedrich Wilhelm seinen Aufenthalt in der Fremde ver-
längert; allein Schwarzenberg bewirkte seine frühere Rückkehr.