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mahle in die neue Heimath. Bis zum Frieden (1648) befand sich die
Hofhaltung des Kurfürsten in Cleve, weil seine Anwesenheit am Rhein
wegen der noch schwebenden Friedensverhandlungen zu Münster und
Osnabrück von Wichtigkeit war. Im April 1650 hielt das kurfürst-
liche Paar, pon der märkischen Ritterschaft feierlich empfangen, seinen
Einzug in die Hauptstadt. Die Schönheit und edle Würde der jun-
gen Herrin machte auf Alle den günstigsten Eindruck. Wohin sie kam,
erweckte sie Ehrfurcht für ihre Person, aber auch festes unerschütter-
liches Zutrauen, und bald erfuhr Jedermann, daß ihr Herz lauter
Liebe war. O wie sehr bedurften auch damals die Marken einer sol-
chen Landesmutter! Wie sehr waren Land und Leute durch den lan-
gen Krieg verwüstet und verwildert worden! Während die Schwerter
klirrten, rostete der Pflug. Junge Waldungen schossen in den Korn-
fluren auf. Die Viehheerden wurden in Kriegslagern geschlachtet.
Ganze Dorfschaften verschwanden, daß man auch ihren Namen vergaß.
Tief in Wäldern fanden sich später, unter Moos und Gestrüpp, ge-
pflasterte Straßen. Da hatten einst Dörfer gestanden, weithin von
Saaten umgrünt. Der Bauer war ganz herunter gekommen. Er
hatte es verlernt, den Acker zu bestellen, und endlich gar den Muth
und die Lust zur Arbeit verloren. Er lebte in elenden Hütten von
elender Kost, jeden Augenblick bereit, vor den Gräueln des Feindes in
die Wälder zu flüchten. Die Bevölkerung war zum Entsetzen dünn
geworden durch Krieg, Hunger und Pest. Wildwachsend wie die Fel-
der, waren auch die Gemüther. Der Schulunterricht hatte größten-
theils ganz aufgehört. Manche Gemeinde hatte seit Langem keinen
Geistlichen und keinen Gottesdienst mehr. Andere, dem unaus-
tilgbaren Zuge nach Religion folgend, hatten Schwindler und Schwär-
mer zum geistlichen Dienst angenommen. In der allgemeinen Noth
war an keine Aufsicht zu denken. Der Aberglaube wucherte in heidnischer
Abscheulichkeit. Jene unheimlichen Zauberkünste und Hexenprozesse,
welche uns jetzt unglaublich erscheinen, standen bei Hoch und Niedrig
in trauriger Blüthe.
Eines solchen Landes Mutter sollte die Kurfürstin werden. Wie
unendlich schwer mußte ihr das scheinen! Doch mit Muth und Wil-
lenskraft begann sie ihr Werk, und sie hat Großes vollbracht! Es wird
von ihr gerühmt, daß sie nie die ehrgeizige Lüsternheit gehabt, sich in
die Landesregierung und Politik zu mischen. Mit echt weiblichem Ge-
fühl unterschied sie zwischen dem, was dem Kurfürsten und dem, was
ihr selbst für Volk und Land zu thun oblag. Ihr Einfluß auf die
öffentlichen Angelegenheiten wirkie wie der milde Somnenschein. Sie