146
Kanzeln herab gegenseitig zufügen möchten, strenge verbot. Wer da-
wider handle, solle seines Amtes entsetzt werden. Zudem forderte der
Kurfürst von allen Geistlichen eine schriftliche Verpflichtung, die Vor-
schriften der neuen Verordnung genau zu beobachten. So weit Friedrich
Wilhelm auch davon entfernt war, die Gewissen seiner Unterthanen zu
verletzen, so fand seine Forderung, besonders unter den eifrigen Luthe-
ranern, doch einen heftigen Widerspruch. Eine große Anzahl armer
Stadt= und Landgeistlichen, welche ihre zahlreiche Familie dem Hunger
und Elende nicht preisgeben wollten, unterzeichneten den Revers; viele
andere aber befanden sich durch die Beschränkung der Redefreiheit in
ihrem Gewissen beschwert und verweigerten mit aller Entschlosfenheit die
Unterschrift: Da jede Drohung vergebens war, so wurde gegen mehrere
der entschiedensten Geistlichen die Amtsentsetzung wirklich ausgesprochen.
Darunter war auch Paul Gerhardt. Das brachte eine allgemeine Auf-
regung hervor. Besonders konnte es Gerhardt's Gemeinde nicht fassen,
daß sie ihren wahrhaft gottesfürchtigen und so milden Prediger, der
stets große Mäßigung und christliche Duldsamkeit gegen das reforminte
Bekenntniß geübt hatte, verlieren sollte. Die ganze Bürgerschaft Berlins
und sämmtliche Gewerke wandten sich an den Magistrat, damit dieser
Fürsprache beim Kurfürsten einleget. Sowohl dieses, als die Fürbitte
der gesammten Stände der Mark für den allverehrten Gottesmann war
vergebens. Erst der Kurfürstin Louise Henriette gelang es, ihren Ge-
mahl gegen den edlen Sänger, der durch seine herrlichen Lieder ihr
frommes Herz oft tief gerührt hatte, milder zu stimmen; allein zu einer
vollständigen Einigung wollte es dennoch nicht kommen. Paul Gerhardt
legte sein Amt nieder und verließ Berlin. Es mag ihm wohl schwer
um's Herz gewesen sein, als er, ohne irgend eine Aussicht auf Versor-
gung, mit einer zahlreichen Familie auf beschwerlichem Wege durch die
märkischen Sandsteppen wanderte, um nach seinem heimathlichen Sachsen
zurückzukehren. Daß er aber nicht verzagt, daß er auf den Herrn ge-
hofft und ihm vertrauet habe; davon zeugen die herrlichen Lieder, die
er in der Zeit seines Exils gesungen. In einem dieser trostreichen
Gesänge: (Ist Gott für mich, so trete) heißt es:
„Die Welt die mag zerbrechen,
„Du bleibst mir ewiglich;
„Kein Brennen und kein Stechen
„Soll trennen mich und dich;
„Kein Hunger und kein Dürsten,
„Kein’ Armuth, keine Pein,