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noch unbekannt. Als sie in Mannheim ankamen, drang Friedrich von
Neuem in den Pagen, ihm Pferde zu verschaffen und mit ihm davon
zu reiten. Von Gewissenangst getrieben, warf sich dieser aber dem
Könige zu Füßen und verrieth ihm das Vorhaben des Prinzen. Wie
sehr auch Friedrich Wilhelm dadurch aufgeregt wurde, so ließ er seinen
Sohn doch nicht merken, daß er um die Sache wisse. Zu Rochow
aber sprach er: „Wir wollen warten, bis wir auf preußischen Grund
und Boden kommen. Ihr bürgt mir mit Eurem Kopfe für den Prinzen
und schafft ihn nach Wesel, lebendig oder todt, hört Ihr, lebendig
oder todt!“ Rochow versprach Alles. In Frankfurt a. M. fiel dem
Könige ein Brief des Kronprinzen an Katte in die Hände, worin der
Fluchtplan ausführlich entwickelt war. Friedrich Wilhelm gerieth in
die heftigste Wuth. Der Prinz durfte die Stadt nicht betreten, sondern
ward auf eine Jacht gebracht, die zur Rheinreise gemiethet worden
war. Als ihn der König am andern Tage auf dem Schiffe erblickte,
ergriff er ihn wüthend bei den Haaren, schleuderte ihn umher und
stieß ihn mit dem Krückstocke gegen die Nase, daß sie blutete. „Nie
hat das Gesicht eines brandenburgischen Prinzen solche Schmach er-
litten!“ rief Friedrich verzweiflungsvoll aus. Die anwesenden Gene-
rale befreiten den Prinzen aus den Händen des Königs und bewahr-
ten ihn dadurch vor noch schwereren Mißhandlungen. In Wesel
wurde Friedrich dem Festungs-Commandanten als Arrestant übergeben,
mit der Weisung, sein Zimmer zu verschließen und die Thür mit zwei
Schildwachen zu besetzen. Noch spät am Abend ließ der König den
Kronprinzen zum ersten förmlichen Verhör vor sich führen. Er er-
mahnte ihn zuerst in ruhigem Tone, „Gott seinem Herrn und seinem
Vater die Ehre zu geben und Alles zu gestehen“; denn der König war
der irrigen Meinung, daß seine Gemahlin und der König von England
die vornehmsten Urheber des Fluchtversuches seien. Friedrich konnte
jedoch als Mitwisser seines Vorhabens nur seine beiden Freunde Katte
und Keith nennen. Der König fuhr ihn jetzt heftig an, schalt ihn
einen feigen Deserteur ohne Ehre. „Ich habe eben so viel Ehre, wie
Sie,“ antwortete der aufs Aeußerste getriebene Prinz, „und habe nur
das thun wollen, was Sie mir hundertmal gesagt haben, Sie würden
es an meiner Stelle thun!“ Eine solche Sprache war der König
nicht gewohnt zu vernehmen, und er würde den Prinzen mit dem Degen
durchrannt haben, wenn der General Mosel sich nicht entschlossen
zwischen den Vater und den Sohn geworfen und diesen in das Ge-
fängniß zurückgeführt hätte.
Das Schicksal des Prinzen erregte große Theilnahme unter dem
Borussia. 13