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168. Ewald Christian von Kleist,
geb. bei Köslin 1715.
Jeder rohe Laut der Wildniß schweige,
Diese Stell' ist heilig, hier siel Kleist.
Tiedge.
In der Schlacht bei Kunersdors starb auch ein edler deutscher
Dichter, Ewald Christian von Kleist, den Heldentod. Nach einem
herrlichen Gedichte, worin er den Frühling geschildert, wird er der
Sänger des Frühlings genannt. Kleist kämpfte in Friedrichs Heer
als Major. Er eroberte mit seinem Bataillon drei Batterien. Die
rechte Hand wird ihm durch eine Kugel zerschmettert. Er nimmt den
Degen in die Linke und rückt auf die vierte Batterie los. Da streckt
ihn ein Kartätschenschuß zu Boden. Seine Krieger tragen ihn aus
dem Getümmel; aber da die Feinde schnell nachrücken, müssen sie ihn
in einem Graben legen und seinem Schicksale überlassen. Die Kosacken
fallen, grimmigen Raubthieren gleich, über den Unglücklichen her und
reißen ihm die bluttriefenden Kleider vom Leibe. Da liegt der un-
sterbliche Sänger des Frühlings, aus vielen Wunden blutend, nackt
und bloß im Moraste. Russische Husaren, die vorbei fliegen, werfen
ihm aus Mitleid einen Mantel, etwas Brod und einen halben Gul-
den zu; aber andere Kosacken kommen nach und nehmen ihm diese
Spenden wieder hinweg. So liegt er die ganze Nacht ohne Kleider,
ohne Verband, ohne einen Labetrunk bis zur Mitte des andern Tages.
In seine Wunden dringt das Wasser des Morastes und macht sie
tödtlich. Endlich ließ ihn ein russischer Offizier, der bei dem Unglück-
lichen vorüberging, nach Frankfurt a. d. Oder bringen, und 11 Tage
nach der Schlacht trennten sich die zerschmetterten Glieder und zerrissen
eine Pulsader, worauf er am 24. August an einer Verblutung starb.
Die Russen, welche die Stadt inne hatten, gaben ihm ein ehrenvolles
Leichenbegängniß. Als der Trauerzug sich in Bewegung setzte, ge-
wahrte man, daß der Sarg ohne Degen war. Ein russischer Offtzler
nahm den seinigen von der Seite und legte ihn mit Thränen im
Auge auf den Sarg.