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dem Monarchen über den armen Mann und sagte ihm, wenn derselbe
auch feine Fehler habe, so sei er doch ein braver Familienvater und
ein sehr tüchtiger Offizier. Seine Lage verdiene Berücksichtigung, denn
sie sei in hohem Grade beklagenswerth. Friedrich machte allerlei Ein-
wendungen; im Herzen aber sagte er der leidenden Familie Hülfe zu.
Ehe er diese jedoch auf eine passende Weise gewähren konnte, ereignete
sich etwas, das der Sache eine eigenthümliche Wendung gab. Eines
Morgens fand sich an einer Straßenecke eine Schmähschrift gegen den
König angeheftet. Aehnliche Pasquille hatte Friedrich früher unbeachtet
gelassen, einmal hatte er gar befoblen, eine solche Schandschrift niedriger
zu hängen, damit sie bequemer gelesen werden könne. Diesmal gerieth
er jedoch in den heftigsten Zorn, denn das Pasquill war in gar zu
bittern Ausdrücken abgefaßt. Er ließ bekannt machen, daß er 50 Frie-
drichsd'or demjenigen geben würde, der ihm den Verfasser der Schmäh-
schrift nenne. Noch an demselben Tage läßt sich der Oberstlieutenant
beim Könige melden und dabei sagen, er wisse den Thäter. Friedrich
heißt ihn eintreten und schaut ihn mit blitzenden Augen fragend an.
In eine höchst dürftige Uniform gehüllt, bleich von Elend und innerer
Erregung, steht der arme Mann da und kann kein Wort hervor bringen.
Endlich stammelt er: „Ew. Majestät, ich bin der Mann! Schicken sie
das Geld meiner kranken Frau und meinen hungrigen Kindern; mich
möge die gerechte Strafe treffen !“ Voll Erstaunen blickt der König
dem Unglücklichen in's Antlitz; der entsetzliche Ausdruck des tiefsten Jam-
mers erschüttert ihn heftig; er muß sich eine Thräne aus dem Auge
wischen. Einen Augenblick steht er sinnend da. Dann klingelt er. Ein
Adjutant tritt ein. Diesem übergiebt er eine Rolle Gold und spricht:
„Bringe Er das Geld der Frau des Oberstlieutenants, und rapportir'
Er sogleich.“ Dann rief er dem Oberstlieutenant zu: „Wie konnte Er
einen solchen Frevel begehen!“
„Halten Ew. Masestät zu Gnaden,“ erwiederte der unglückliche Mann,
„Sie hatten mich verstoßen; mehr denn vierzig Bittschriften habe ich an
Sie abgeschickt, hundertmal habe ich im Vorzimmer gestanden und um
Audienz gebeten, aber Ew. Majestät wollten Nichts von mir wissen.
Leihen mochte mir Niemand mehr Etwas. Weib und Kinder verhun-
gerten. Ich gerieth in Verzweiflung und wußte nicht mehr, was ich
that. Jetzt, da meine Lieben vom Hungertode gerettet sind, mag mein
Haupt fallen.“ Da überlief es den König eiskalt. Er erkannte, wie
weit die Noth einen Familienvater führen könne, wenn er in Ver-
zweiflung den rechten Weg verläßt, und mußte sich gestehen, daß er
von diesem unglücklichen Vorfalle selbst die Schuld trage. Eine Weile