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würdigste unter denselben war Voltaire. Es hat wenig Menschen ge-
geben, die so glänzende Talente besaßen, wie dieser Mann. Alles,
was er schrieb und sprach, wurde mit Begeisterung gelesen und ge-
hört. Seine Schriften machten in ganz Europa Aufsehen, besonders
ein Gedicht, die Henriade, worin er den Ruhm des französischen Kö-
nigs Heinrich IV. besang. So sehr nun dieser ungewöhnliche, reich-
begabte Geist seinen Mitmenschen hätte nützlich werden können, so sehr
hat er ihnen geschadet. Unedle Neigungen, denen er sich frei hinge-
geben, hatten sein Gemüth verdorben. Was jedem edlen Menschen
das Heiligste ist, Religion und Sittlichkeit, wurde von ihm verspottet.
Von Handlungen der niedrigsten Art ist er nicht freizusprechen.
Schlechte Grundsätze, die er in der angenehmsten Form gepredigt,
haben unsägliches Unheil gestiftet.
Zu den Bewunderern dieses ungewöhnlichen Mannes gehörte be-
sonders Friedrich. Schon als Kronprinz hatte er um Voltaire's Freund-
schaft gebeten; als König berief er ihn an seinen Hof nach Sans-
souci, gab ihm ein Jahrgehalt von 5000 Thalern und verlieh ihm
Titel und Orden. Anfangs bestand zwischen den Beiden das ange-
nehmste Verhältniß. Sie gingen zusammen spazieren, arbeiteten mit
einander, lasen sich gegenseitig ihre Schriften vor und theilten sich
ihre Bemerkungen darüber mit; allein das innige Verhältniß dauerte
nicht lange. Friedrich, der in Voltaire nur den großen OCelehrten
und berühmten Dichter gesehen hatte, fand bald, daß sich in diesem
Manne die größten geistigen Fähigkeiten mit der niedrigsten Denkungs-
art vereinigten, und sah ein, daß ein deutsches Herz durch welschen
Witz und Tand nicht befriedigt werden könne. Voltaire's Ehrgeiz
kannte keine Grenzen. Der König sollte nur ihn ehren. Ueber jeden
Andern, den er seiner Freundschaft würdigte, fiel er in hämischer
Eifersucht her und stritt und zankte sich mit Jedermann. Seine Hab-
gier war so groß, daß er die Wachskerzen in dem königlichen Vor-
zimmer entwendete und einen Juden mit unechten Steinen betrügen
wollte, anderer Handlungen von sehr zweifelhaftem Charakter nicht zu
gedenken. Zwischen ihm und dem Könige entstand eine Spannung,
und bald fühlte sich Voltaire nicht mehr behaglich in Preußen und
kehrte nach Frankreich zurück. Wehmüthig schrieb Friedrich damals in
Beziehung auf Voltaire an einen Freund: „Wie kann so viel Geist
und Verstand mit solcher Verdorbenheit des Gemüths verbunden sein“