339
wir uns anders getäuscht haben.“ Bei dem darauf folgenden Gast-
mahle war die Königin immer freundlich und gesprächig, voll zarten
Benehmens gegen den Kaiser. Dieser wurde immer höflicher und zu-
vorkommender. Schon hoffte man, er habe sich durch die Anmuth der
Königin zu milderen Gedanken des Friedens umstimmen lassen; denn
ihr geistvolles, edles Wesen war nicht ohne Wirkung auf ihn geblie-
ben. Bald jedoch erfuhr man, daß er Alles, was er der Königin Tröst-
liches gesagt, nur für höfliche Redensarten erklärte. So waren Lui-
sen's Bemühungen fruchtlos. Wie schmerzhaft ihr das war, verbarg
sie nicht; nur Eins tröstete sie, daß ihr Gemahl dem Sieger gegenüber
sich so würdig gezeigt habe.
Züge aus dem lteben der Königin Tuist.
236. Die Haube.
Der König pflegte jeden Morgen bei der Königin zu frühstücken.
Bei einer solchen Gelegenheit sah er auf ihrem Nähtisch'chen eine hübsche
neue Haube und fragte nach dem Preise derselben. Nach einiger Wei-
gerung, weil die Männer Dinge der Art nicht zu schätzen wüßten und
deßhalb Alles zu theuer fänden, gestand Sie endlich, die Haube koste
vier Thaler. „Schrecklich viel Geld für ein solch Ding,“ sagte der
König halb ernst, halb scherzhaft, und da er wahrscheinlich eine gute
Lehre an seine Bemerkung knüpfen wollte, so rief er einen Invaliden
herein, der zufällig am Fenster vorüber ging und legte ihm die Frage
vor: „Was meinst Du wohl, wie viel der Kopfputz da kostet?“ Der
Invalide rieth auf einige Sgr. „Wie Groschen? Vier Thaler hat die
schöne Frau dort dafür bezahlt! Nun gehe einmal zu ihr und laß Dir
eben so viel geben.“ Lächelnd reichte die kluge Fürstin dem erfreuten
Alten die vier blanken Thaler dar. Das Entzücken desselben wurde
aber noch viel größer, als die Königin ihm sagte: „Der hohe
Herr da am Feuster hat noch weit mehr Geld als ich; denn Alles,
was ich habe, kommt von ihm. Gehe deßhalb zu ihm, er wird Dir
gern das Doppelte schenken, was ich Dir gegeben habe; er kann das
22.