360
führte bald zu einer Verstimmung zwischen Napoleon und ihm. Der
französische Kaiser hatte überdies die Lande des Herzogs von Olden-
burg, eines Verwandten Alexander's, ohne Ursache an sich gerissen und
dadurch dem mächtigen Rußland den Fehdehandschuh gleichsam in's
Gesicht geworfen. So nahm die Freundschaft ein Ende. Kaiser
Alexander zog seine Armee drohend an den Grenzen zusammen. Als
Napoleon das vernahm, rief er voll stolzer Zuversicht aus: „Rußland
wird von seinem Verhängnisse ergriffen, wohlan, es soll erfüllt wer-
den!“ Der Krieg gegen Rußland ward beschlossen, und im Frühjahr
1812 schaarten sich 500,000 Krieger um den französischen Kaiser.
Fast alle Länder Europa's, auch Preußen, hatten Hülfstruppen stellen
müssen. Ein schöneres Heer hatte die Welt wohl nie gesehen. Am
Johannistage überschritt die große Armee den Grenzfluß Niemen. Bei
Smolensk entbrarnte die erste Schlacht, beim Dorfe Borodino die
zweite. Napoleon siegte. Darauf zog er in Rußlands Hauptstadt
Moskau ein. Hier wollte er den Winter über bleiben und im Früh-
jahr das russische Reich vollends erobern. Doch wenn die Sonn'
am höchsten steht, so kommt die Sonnenwende. Moskau ging in
Flammen auf; Napoleon mußte mit seinem Heere den Rückzug an-
treten. Darüber ereilte ihn ein langer nordischer Winter, und eine
grausige Kälte vernichtete fast seine ganze Armee; nur dreißigtausend
Mann blieben übrig.
248. Preußens Erhebung im Jahre 1813.
Der König rief, und Alle, Alle kamen!
Der Brand Moskaus war die Morgenröthe der deutschen Frei-
heit. Die Zeichen des Himmels erkannte zuerst der General Dork,
der mit seinem Hülfsheere den Zug nach Moskau nicht mitgemacht,
sondern auf Napoleons Befehl an Rußlands Grenze stehen geblieben
war. Wohl hätte er den Rückzug der großen Armee decken können;
er schloß aber einen Vertrag mit den Russen ab, kraft dessen seine
Truppen für partheilos erklärt wurden. An seinen König schrieb er:
„Ew. Majestät lege ich willig meinen Kopf zu Füßen, wenn ich ge-
sehlt haben sollte.“ Als nun im Anfange des Jahres 1813 die
Ueberbleibsel der großen Armee halbnackt, zerlumpt, ausgehungert, mit