869
noch größere Verluste hatten als wir, so war es ihnen doch noch nicht
so schlimm ergangen, als wir gewünscht und erwartet. Der französische
Kaiser soll immer darauf bedacht gewesen sein, gerade an dem Platze,
wo er sie just am nöthigsten brauchte, auch recht viele Truppen und
Kanonen beisammen zu haben. Das war freilich eine gute Sache für
ihn, aber eine böse für uns. Spät, als es schon längst Nacht gewor-
den war, bot Vater Blücher Napoleon noch einen schönen guten Abend.
Er sagte nämlich zu dem General von Gneisenau, der immer bei ihm
war und so alles auf dem Papier ausarbeitete und aufzeichnete, wie
es in der Schlacht gehen sollte: Gneisenau, sollen wir den französischen
Kaiser noch einmal aus dem Schlafe wecken? Seine Leute lassen da
ihr Suppenfeuer gar zu hell brennen. Cneisenau schüttelte anfangs
ein wenig mit dem Kopfe, das war so seine Weise, dann antwortete
er: „Wenn Sie es so meinen, dann immer zu.“ So mußten denn
die Kürassiere von dem brandenburgischen, dem ostpreußischen und dem
schlesischen Regiment, lauter große starke Kerle, die mit ihren Pallaschen
schon darein zu schlagen verstanden, wieder aufsitzen. Die rasselten denn
ordentlich auf den Feind ein und drängten die erste-Linie desselben zu-
rück; ja es soll gar nicht viel daran gefehlt haben, daß selbst der fran-
zösische Kaiser von ihnen gefangen genommen ward. Sapperment, das
wäre ein Glück gewesen; viele Menschen, Pferde und schweres Geld
hätte der König dadurch ersparren können! Wenn aber auch dieser An-
griff in der Nacht von Seiten unserer Cavallerie sonst weiter nicht viel
genützt hat, so zeigte er doch den Franzosen, daß wir Preußen selbst
nach der heutigen Schlacht nicht die mindeste Furcht vor ihnen hatten.
Dies war auch schon etwas werth; denn die Kerle bildeten sich sonst
immer so gerne ein, daß alle Truppen, die ihnen gegenüberständen, wer
weiß was nicht für Furcht vor ihnen haben müßten, wenn ihr Kaiser
bei ihnen wäre. Unser Alter aber der scheerte sich den Teufel um den
französischen Kaiser, und es war ihm ganz egal, ob der selbst, oder
wer sonst von seinen Generälen ihm gegenüber kommandirte. „Ist man
auch ein Menschenkind wie wir Alle, und er kann auch die schönste
Schmiere bekommen, wenn ich ihn nur erst mal recht fassen thue,“ soll
der Alte oft gesagt haben. Ich habe nachher gehört, Napoleon habe
in dem Schlachtenberichte, den er für die Leute in Frankreich habe
drucken lassen, gesagt, wir seien völlig in die Flucht geschlagen worden.
Da hat er aber arg gelogen. Er soll überhauct in den Sachen, die er
so drucken ließb, es mit der Wahrheit nicht eben sehr genau genommen
haben. · —
·-
Borussia. 24