Full text: Borussia. Bilder aus der Geschichte des preußischen Vaterlandes.

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und Freiheit erwirken, oder gar die Bundesgenossen trennen. Der 
König aber beruhigte sein Volk, indem er laut verkündete, es solle der 
Nationalkraft dadurch Zeit gegeben werden, sich erst völlig zu entwickeln. 
In der That wurde rastlos fortgewirkt, bewaffnet, geübt, und alle 
Kräfte der Nation wurden von neuem angespannt. Täglich zogen neue 
Haufen kriegslustiger Männer und Jünglinge herbei, und nur einen 
Kummer fühlte das ganze Heer, daß es so lange unthätig bleiben mußte. 
Oesterreich bot sich inzwischen zum Vermittler des Friedens an und 
veranstaltete einen Congreß zu Prag. Napoleon aber wollte kein Haar- 
breit nachgeben und suchte die Verhandlung nur in die Länge zu ziehen, 
um Zeit zu gewinnen. Das merkten der preußische und russische Ge- 
sandte wohl, und sie erklärten am 10. August, als eben von den Thür- 
men herab die Mitternachtsstunde verkündigt wurde: „Alle Unter- 
handlung hat jetzt ein Ende!“ Feuerzeichen von den Bergen trugen 
rasch die frohe Kunde in das Lager der Freiheitskämpfer. Zwei Tage 
darauf trat auch Oesterreich dem Bunde der Preußen und Russen bei 
und erklärte Frankreich den Krieg. Jubelnd begrüßten seine Völker 
ihres Kaisers Waffenruf. Auch Bernadotte, der Kronprinz von Schweden, 
trat zu der großen Verbindung, und neue russische Haufen strömten 
selbst aus dem fernen Asien herbei. Ganz Europa beinahe stand unter 
den Waffen; es war kein Krieg der Fürsten, wie sonst gewöhnlich, 
sondern der Völker. Da sah man den ernsten Deutschen, den abgehär- 
teten Schweden, den kernigen Russen, den bärtigen Kosaken, den braun- 
gelben Kalmücken, den wilden Baschkiren, ja selbst den Sohn der mon- 
golischen Wüste, den nomadisirenden Kirgisen und den Bewohner des 
Kaukasus, den stolzen Tscherkessen in eisernem Panzerhemde, Alle fried- 
lich beisammen, um den Mann zu bekämpfen, dessen Herrschsucht Europa 
zu enge war. Die meisten Fürsten Deutschlands mußten noch ihm die- 
nen, weil ihre Länder von seinen Truppen besetzt waren; selbst der 
sonst so ehrwürdige König von Sachsen, Friedrich August, hatte sich 
aufs Neue an ihn angeschlossen, und hielt zu seinem und seines Lan- 
des großen Schaden treu bei ihm aus. 
Am 17. August war der Waffenstillstand zu Ende, und der große 
Kampf begann aufs Neue. Napoleon hatte sein Heer um Dresden 
versammelt, und machte von hier aus Angriffe auf die anrückenden 
Verbündeten. Diese gingen mit drei großen Heeren nach Sachsen. 
Das Hauptheer stand in Böhmen. Oesterreicher, Russen und 
Preußen, geführt von Schwarzenberg, bildete dasselbe. Wittgenstein 
führte unter ihm die Russen, Kleist die Preußen. Bei ihm befanden 
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