Full text: Borussia. Bilder aus der Geschichte des preußischen Vaterlandes.

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272. Ein Bild aus dem Gefechte bei Möckern. 
Es mochte 9 Uhr sein. Drei Schüsse aus schwerem Geschütz ver- 
kündeten den Beginn der Schlacht. Der Kanonendonner von 2000 
Feuerschlünden durchbrüllte das Feld, und die Erbe erbebte. Unser 
Major von Krosigk sprengte vor die Front und redete uns mit folgen- 
den Worten an: „Wackere Kriegsleute! Die Stunde schlägt, rüstet 
euch zum Streit. Ihr alle kimpfet für Eine Sache, für die Freiheit 
Europas. Alle für Einen, Jeder für Alle. Mit diesem Feldgeschrei 
eröffnet den heiligen Kampf.“ Wir marschirten nach Eroberung des 
vor uns liegenden Dorfes vorwärts, blieben aber dann, vom schreck- 
lichsten Kanonenfeuer umbrüllt, bis gegen Abend auf freiem Felde ste- 
hen. Manche Granate stäubte uns auseinander und streckte hier und 
da Einen zu Boden. Eine Kugel riß dem Major den Sattelknopf weg, 
doch, obgleich das Pferd darüber wild zu werden anfing, strich er sich 
gelassen den Bart und sagte: „Seht, Füsiliere, da hätten sie mich 
bald erschossen, aber sie sollen mich nicht treffen."“ Gegen Abend end- 
lich kamen plötzlich Generale und Adjutanten auf uns losgesprengt, 
schwenkten die Hüte und riefen: „Alles mit Sturm! Alles mit Sturm!“ 
Nun setzte sich der Major im Sattel zurecht und donnerte: „Ich kom- 
mandire nicht eher Feuer, als bis ihr nur zehn Schritte entfernt seid. 
Wer dann schießt und trifft nicht, dem haue ich den Kopf herunter.“ 
Wie aber die Trommeln in der ganzen Ebene den Sturmmarsch wir- 
belten und wir mit gefälltem Gewehr vorwärts liefen, hoben sich unsere Haare 
vor Entsetzen in die Höhe, und alle meine Glieder zitterten am Leibe. 
Ich wollte beten, aber der Wirrwarr war so groß, und wir liefen zu 
schnell — ich konnte nur seufzen. Die Franzosen sahen uns kommen 
und fingen so heftig an zu schießen, daß ich glaubte, wir müßten Alle 
stürzen. Die Salven krachten, und unsere Leute fielen wie gemäht, 
aber noch war ich nicht im Bereich der Kartätschen. Doch jetzt — ich 
fühlte meinen Nebenmann zur rechten Hand nicht mehr, und wie ich 
hinsehe, war im selben Nu Alles neben mir zerschmettert und auf dem 
Boden gestreckt. Da hörte ich den Feldwebel zu mir sagen, „Hechel, 
rücke heran!“ was ich denn auch that, und wobei mir die Andern, die 
noch standen, folgten. Ich war vom Blut und Gehirn der Zerschmel- 
terten so bespritzt, daß ich kaum aus den Augen sehen konnte. Wie 
ich mir eben das Gesicht abwische, sieht mich mein Nebenmann plötzlich 
starr an, und ich ihn. Sein Mund stand offen, die rechte Backe war 
weggerissen, er fiel. Im Sturmschritt gings weiter. Unsere Kanoniere 
Verassle. 26
	        
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