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Joachim glüht in Scham und Zornesbrand:
„Kennst du den Mann, den Räuber, der dich band?“ —
Da mißt des Andern Auge wohlbedächtig
Manch hohen Feldherrn sammt= und seidenprächtig.
Nicht lange prüft er sinnend Zug um Zug,
Ein Blick, noch einen — und er weiß genug:
„Dort steht der Räuber, der vor wenig Stunden,
Beraubt, mißhandelt mich und hart gebunden!“
So ruft er laut mit unerschrock'nem Muth,
Und Einem weicht vom Antlitz scheu das Blut,
Der Lindenberger war's, deß Stammeln, Zagen
Mit schwerem Zeugniß selber ihn verklagen,
Und den die Schuld, die harte, jetzt beschwert,
Es war ein Herr, vornehm und hochgeehrt,
Ein Liebling Joachim's — in dessen Herzen
Kämpft um den Sieg Gerechtigkeit mit Schmerzen.
Und zu dem Liebling, der an Gnade glaubt,
Spricht ernst der Fürst: „Verfallen ist dein Haupt,
Wollt' ich im Mörder mir den Freund erretten,
Ich schlüg' das Recht des Landes selbst in Ketten.“
Der Grimm des Adels schreckt den Herrscher nicht,
Der Henker kommt, der Henker hält Gericht,
Und für den Räuber muß der Hofmann büßen,
Ihm legt ein Schlag das schuld'ge Haupt zu Füßen. —
O. F. Gruppe.
34. Joachim I. und die Reformation.
Joachim war der Reformation, die unter seiner Regierung ihren
Anfang nahm, sehr abgeneigt. Zwar war der allgemeine Verfall der
christlichen Kirche auch in Brandenburg sehr fühlbar. Gerade hier
trieb auch Tetzel, durch dessen Ablaßoerkündigung Luther zu seinem
gewaltigen Auftreten herausgefordert wurde, am ärgsten sein Wesen