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Gesangene in die Hauptstadt zurückbringen. Fast hätte sie ihre Flucht
nicht fortsetzen können; denn unterwegs brach ein Rad am Wagen, und
Elisabeth mußte ihr Kopftuch abbinden, damit der Schaden gebessert
werden könne. Sie kam indeß glücklich nach der Stadt Torgau im
Sachsenlande und bat den Kurfürsten von Sachsen in einem Schreiben
um Schutz. „Könnt Ihr aber meine Bitte nicht erfüllen,“ schrieb
sie, „so muß ich, unstät und flüchtig umherirrend, mein Schicksal
tragen.“ ·
Der edle Kurfürst, Johann der Beständige, nahm sie freundlich
in seinem Lande auf und gab ihr das Schloß Lichtenburg an der Elbe
zum Wohnsitze. Von hier aus trat sie mit Luther in den freundschaft-
lichsten Verkehr, wohnte sogar einmal drei Monate in seinem Hause
und stand bei einem seiner Kinder Gevatter.
Das brandenburgische Volk war übrigens in der Sttille seiner
Kurfürstin gefolgt. Das Lied „Eine feste Burg ist unser Gott“ wurde
überall gesungen und half, die Mark für die Sache der Wahrheit zu
gewinnen. Der geistliche Oberhirt, der üppige Albrecht von Mainz und
Magdeburg, ließ die Dinge gehen, wie sie wollten, da er bei seiner
Unentschiedenheit ferneren Widerstand für unmöglich hielt. Nachdem
die lutherische Lehre in Magdeburg Eingang gefunden, ging sie leise,
doch mit festem Tritt, durch die Lande des ersten Joachim. Noch vor
seinem Tode war Brandenburg durch und durch protestantisch.
Der Kurfürst war indessen über die Flucht seiner Gemahlin äußerst
ergrimmt und wiederholte die Drohung, sie einmauern zu lassen, wenn
er sie wieder in seine Hände bekäme. Später milderte sich jedoch sein
Zorn; er erlaubte sogar seinen Söhnen, ihre Mutter in Sachsen zu
besuchen. Ueberhaupt muß man ihm zur Ehre nachsagen, daß er, bei
aller Feindschaft gegen die evangelische Lehre, Niemand in seinen Lan-
den seines Glaubens wegen verfolgte, und daß er, bei der sonstigen
Energie seines Charakters, nicht immer auch wirklich ausführte, was ihm
die erste Aufwallung des Zomes eingab. Dieser hochherzige
Sinn gerechter Duldsamkeit bei verschiedener Bekenntnifß=
treue hat sich stets im Hause der Hohenzollern erhalten,
weßhalb auch unsere vaterländische Geschichte von blutigen
Verfolgungen um des Glaubenswillen wenig zu er-
zählen weifß.
Joachim I. starb in seinem 5lsten Lebensjahre zu Stendal. Nach
seinem Tode holten seine Söhne die Mutter zurück und traten bald
darauf öffentlich zu der neuen Lehre über.