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Kerl, barfuß und zerlumpt. Auf einmal wird Alles lebendig. Jung
und Alt eilt herbei und bemüht sich, ihn zu foppen, zu knuffen, zu
stoßen und ihn endlich unter lautem Gelächter zum Tempel hinaus zu
treiben. Das soll eine bildliche Darstellung der Austreibung des alten
Adams sein. An dem Abende desselben Tages giebt es in der Kirche
noch andere Feierlichkeiten. Nach und nach werden alle Lichter aus-
gelöscht und nun beginnt eine gräuliche Katzenmusik durch Schreien,
Pfeifen, Toben und Lärmen. Das heißt man die Rumpelmette.
Am grünen Donnerstage beginnt die Darstellung der Leidensge-
schichte. Von den Altären werden alle Tücher abgenommen, anzudeu-
ten, daß die Kriegsknechte Jesu die Kleider ausgezogen; die Altäre
selbst werden gewaschen mit Wasser, dem Wein beigemischt ist, in Be-
ziehung darauf, daß aus der durchstochenen Seite des Gekreuzigten
Blut, mit Wasser gemischt, geflossen sei. Zum Gottesdienst aber ruft
heut, wie an den beiden folgenden Tagen, kein Glockenton, denn um
die allgemeine Trauer auszudrücken, müssen auch die Glocken schweigen;
aber es gehen die Kirchendiener durch die Straßen und schlagen mit
* Stücke Holz auf kleine Bretter, um nun das Volk in die Kirche
zu rufen.
Am Charfreitag wird, sobald der Tag anbricht, die Grablegung
gefeiert. Drei Priester tragen das Bildniß des Herrn um den Altar
und legen es vor den Stufen desselben auf eine ausgebreitete Tapete
nieder. Während sie die Wunden des Gekreuzigten berühren, fällt
alles Volk auf die Kniee und betet. In Procession wird dann das
Bild zu dem Grabe gebracht, das für diesen Zweck bereitet worden ist
und dort niedergelegt. Voran schreitet der Küster mit einem Kreuze,
und Knaben mit hölzernen Klappern folgen ihm. Tag und Nacht
brennen nun Kerzen an der Grabstätte; das Volk aber wachet dabei
und betet.
Der stille Sonnabend kommt. Die Kirchendiener löschen alle Lich-
ter und alles Feuer im Gotteshause aus; ein Priester schlägt aus
Kieselsteinen neues Feuer und weihet es. Abergläubische Leute haben
Kohlen mitgebracht, mit denen sie die Funken aufzufangen bemüht sind.
Diese Kohlen nehmen sie mit nach Hause und verwahren sie aufg
Sorgfältigste. Wenn aber im Sommer ein schweres Gewitter am
Himmel steht, dann zünden sie dieselben an, denn sie meinen, daß solche
geweihte Kohlen vor dem Bilitze schützen. Gleichwie das Feuer, so
wird auch das Wasser im Taufstein geweiht. Auch hier hatte der Aber-
glaube sein Spiel, denn solch geweihetes Wasser, glaubte man, bewahre
vor Krankheit.