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zählig war, nahm der Graf das Schwert aus der Hand des Edel-
knaben und schlug zu dreien Malen mit flacher Klinge auf die Tafel.
Dann legte er den Stahl vor sich nieder und ein Gleiches vollbrachten
die Schöffen, zum Zeichen, daß das Gedinge (Gericht) seinen Anfang
genommen habe. Der Herold rief aus, daß die, welche eine Anklage
auf Leib und Leben hätten gegen Jemanden, zu ihm treten möchten,
um das Recht darüber sprechen zu hören. Da trat zu ihm der junge
Engelbrecht vom Boldenberg, erhob seine Rechte und sprach: „Ich
klage vor diesem Gericht Gerharden von Steinbach, der sich nennt
zum Stein, einer schmachvollen unritterlichen That an und stelle dazu
zwölf unbescholtene Eideshelfer. Den edlen Gerlach von Scherven hat
er sonder Fehde meuchlings erschlagen im Schwelmer Walde, als dieser
gegen den Grafen von der Mark im Streite lag, und hat uns
dadurch geschwächt, so daß wir zehn wehrhafte Männer verloren
haben, den der Ungetreue im Kampfe vermieden. Kann er, so mag
er sich reinigen, aber bis dahin soll er das Angesicht unbescholtener
Schöffen meiden.“ Ein lautes Gemurre erfolgte ringsum auf diese
Anklage; denn der edle Steinbach war als ehrenhaft jedermänniglich
bekannt. Doch der Graf gebot Ruhe und der Beschuldigte nahm sein
Schwert von der Tafel, er trat vor den Ankläger und nannte diesen
einen Lügner und Verläumder, weil er den von Scherven weder zum
Vorschub des Feindes, noch auf heimliche boshafte Weise, sondern in
gerechtem gleichen Zweikampfe, der eignen Nothwehr bedacht, und ohne
Arglist gefället habe. Da rief der Graf die Eideshelfer vor und diese
beschworen die Anklage; die Schöffen beriethen sich und erklärten, daß
der Beschuldigte, bis er sich von dem ihm zur Last gelegten Verbrechen
gereinigt habe, zu ächten und des Schöffenrechts verlustig zu erklären
sei. Da schlug der Graf mit umgekehrtem Schwerte dreimal auf die
Tafel, das Zeichen der Aechtung, uud der Herold rief diese aus. Aber
Gerhard von Steinbach rief nach Roß, Speer und Schild und auf die
Tafel warf er seinen Handschuh und forderte die Ankläger heraus, in
gerechtem Zweikampfe durch das Urtheil Gottes ihre Sache zu erweisen.
Der vom Boldenberge aber versagte es, mit einem Geächteten und
Ehrlosen in die Schranken zu reiten, und die Schöffen verwarfen den
Zweikampf und raunten von Bahrrecht, von Feuer= und Heiligenprobe.
Der von Steinbach aber zu Roß, auf's Höchste entrüstet, schwur auf
sein Schwert, daß er unschuldig sei, er behauptete, daß die ihm an-
heimgestellten Unschuldproben keines wehrhaften Mannes würdig seien
und deutete die jähe Bergwand hinab auf die Wupper, die dort unter
Felsen rauscht. So will ich (rief er) den steilen Felsen dort, den nie